157: Prüfungssituationen
Auch wenn ich ehrlich gesagt keine Lust mehr und deswegen wieder einige Wochen Haderzeit gebraucht habe: es lässt sich nicht vermeiden, nochmals über Stuttgart 21 (vgl. Prellblog 19, Prellblog 90, Prellblog 130, Prellblog 135, Prellblog 136, Prellblog 137, Prellblog 141, Prellblog 144, Prellblog 154) zu schreiben.
Das hat mehrere Gründe. Zunächst hatte die DB ein Preisschild mit der Zahl von 400 Millionen Euro an die von der neuen grün-roten Landesregierung verlangte Verlängerung des Baustopps bis zur angekündigten Volksabstimmung im Oktober geklebt. Auch wenn von verschiedenen Seiten angezweifelt wurde, dass diese Zahl realistisch sei: Förmlich beantragt wurde die Verlängerung dann erst gar nicht.
In den Medien war angesichts des nur schwachen Widerstands gegen die Wiederaufnahme der Bauarbeiten bereits von einem Ende der Protestbewegung die Rede. Am Montag letzter Woche kam es dann überraschend zu Ausschreitungen, bei denen Millionenschäden an Baumaschinen und -material angerichtet, ein Polizist zusammengeschlagen wurde und acht weitere Knalltraumata erlitten. Plötzlich war an der Wand wieder das Gespenst, dass Stuttgart 21 auf Grund von Sabotageaktionen unbaubar werden könnte, zu erkennen. Die umfangreiche Grundwasserführung in 17 Kilometer teils - wie vom Bau des Leipziger Citytunnels bekannt - offen aufgeständerter Rohrleitungen ist nicht permanent polizeilich zu schützen, wie der Stuttgarter Polizeipräsident bereits eingeräumt hat.
Vor dieser Kulisse wird also die Frage hoch relevant, wie die Motivation und Aktionsbereitschaft der Protestierenden entwickeln werden. Und dies wiederum wird ganz sicher immens dadurch beeinflusst, wie alle beteiligten Akteure sich darauf beziehen, dass und wie die am 14. Juli angesetzte Vorstellung des Ergebnisses des so genannten "Stresstests" stattfindet.
Die Presse hat vorab vermeldet, dass der Test die geforderte Bestätigung durch ein unabhängiges (und recht kritisches) Institut, dass der geplante Bahnhof 30 Prozent mehr Kapazität in Spitzenlastzeiten erreichen könne als der bestehende, und dies ohne den vertraglich fixierten Kostenrahmen durch große Erweiterungen zu sprengen, höchstwahrscheinlich erbringen werde. Angeblich sollen 40 Millionen Euro Mehrkosten für ein bisschen mehr Signaltechnik und eine zweigleisige Anbindung des Flughafens reichen. Der neue baden-württembergische Verkehrsminister kritisierte, die Unterlagen, qua derer diese Nachricht durchgesickert sei, haben ihm nicht vorgelegen, was wiederum die DB dementiert und zu Rücktritts- und Abwahlforderungen geführt hat. Teile der Protestbewegung haben angekündigt, der Bekanntgabe des Ergebnisses gar nicht erst beiwohnen zu wollen, und haben damit den Konsens zwischen Gegnern und Befürwortern, das Ergebnis als ein neutrales anzuerkennen, durchbrochen. Der Schlichter Heiner Geißler hat bereits damit gedroht, seinerseits der Verkündung fernzubleiben, wenn das Ergebnis bereits im Vorfeld als tendenziös angegriffen werde.
Das Projekt Stuttgart 21 wird also nicht wegen ausufernder Mehrkosten in sich selbst zusammenbrechen, wie bisher von der Gegnerseite erhofft. Die für den Herbst angesetzte Volksabstimmung wird vermutlich wegen des hohen Quorums scheitern, sofern die Verfassung nicht mehr rechtzeitig geändert werden kann, woran allerdings kaum jemand mehr glaubt.
Die oben angerissene Frage nach Umfang und Art weiterer Proteste wird beantwortet werden und darüber entscheiden, welches der beiden derzeit einzig plausiblen Szenarien sich realisiert: Entweder erstirbt der Widerstand (still und leise oder nach einer vorschnellen Eskalation mit abschreckenden Gewaltexzessen) und Stuttgart 21 wird gebaut; oder die Gewalt gegen Personen und Sachen nimmt derartige Ausmaße an, dass sich die Deutsche Bahn zurückziehen muss. Eine Verhinderung des Baus durch friedliche Proteste halte ich nicht mehr für wahrscheinlich.
Elegant wäre natürlich eine Art passiver Widerstand der Landesregierung, beispielsweise in Gestalt einer Erklärung von Innenministerium und Stuttgarter Polizei nach weiterer Eskalation, dass die polizeiliche Sicherung der Baustelle angesichts des Ausmaßes der Protestaktionen nicht mehr garantiert werden könne. Für einen solchen Fall rechne ich allerdings, solange nicht auch eine grün-rote Bundesregierung gewählt wird, mit massiver Entsendung von Bundespolizei. Dass es verschiedene, eventuell jahrelange Prozesse staatsorganisations-, straf- und zivilrechtlicher Art geben wird, halte ich ohnehin für ausgemacht.
Alles in allem sollten wir uns, so meine ich, an den Gedanken gewöhnen, dass Stuttgart 21 realisiert werden wird. Ich persönlich habe nicht viel dagegen.
Bild: "Terrazzo" bei Flickr (Details und Lizenz)
Das hat mehrere Gründe. Zunächst hatte die DB ein Preisschild mit der Zahl von 400 Millionen Euro an die von der neuen grün-roten Landesregierung verlangte Verlängerung des Baustopps bis zur angekündigten Volksabstimmung im Oktober geklebt. Auch wenn von verschiedenen Seiten angezweifelt wurde, dass diese Zahl realistisch sei: Förmlich beantragt wurde die Verlängerung dann erst gar nicht.
In den Medien war angesichts des nur schwachen Widerstands gegen die Wiederaufnahme der Bauarbeiten bereits von einem Ende der Protestbewegung die Rede. Am Montag letzter Woche kam es dann überraschend zu Ausschreitungen, bei denen Millionenschäden an Baumaschinen und -material angerichtet, ein Polizist zusammengeschlagen wurde und acht weitere Knalltraumata erlitten. Plötzlich war an der Wand wieder das Gespenst, dass Stuttgart 21 auf Grund von Sabotageaktionen unbaubar werden könnte, zu erkennen. Die umfangreiche Grundwasserführung in 17 Kilometer teils - wie vom Bau des Leipziger Citytunnels bekannt - offen aufgeständerter Rohrleitungen ist nicht permanent polizeilich zu schützen, wie der Stuttgarter Polizeipräsident bereits eingeräumt hat.
Vor dieser Kulisse wird also die Frage hoch relevant, wie die Motivation und Aktionsbereitschaft der Protestierenden entwickeln werden. Und dies wiederum wird ganz sicher immens dadurch beeinflusst, wie alle beteiligten Akteure sich darauf beziehen, dass und wie die am 14. Juli angesetzte Vorstellung des Ergebnisses des so genannten "Stresstests" stattfindet.
Die Presse hat vorab vermeldet, dass der Test die geforderte Bestätigung durch ein unabhängiges (und recht kritisches) Institut, dass der geplante Bahnhof 30 Prozent mehr Kapazität in Spitzenlastzeiten erreichen könne als der bestehende, und dies ohne den vertraglich fixierten Kostenrahmen durch große Erweiterungen zu sprengen, höchstwahrscheinlich erbringen werde. Angeblich sollen 40 Millionen Euro Mehrkosten für ein bisschen mehr Signaltechnik und eine zweigleisige Anbindung des Flughafens reichen. Der neue baden-württembergische Verkehrsminister kritisierte, die Unterlagen, qua derer diese Nachricht durchgesickert sei, haben ihm nicht vorgelegen, was wiederum die DB dementiert und zu Rücktritts- und Abwahlforderungen geführt hat. Teile der Protestbewegung haben angekündigt, der Bekanntgabe des Ergebnisses gar nicht erst beiwohnen zu wollen, und haben damit den Konsens zwischen Gegnern und Befürwortern, das Ergebnis als ein neutrales anzuerkennen, durchbrochen. Der Schlichter Heiner Geißler hat bereits damit gedroht, seinerseits der Verkündung fernzubleiben, wenn das Ergebnis bereits im Vorfeld als tendenziös angegriffen werde.
Das Projekt Stuttgart 21 wird also nicht wegen ausufernder Mehrkosten in sich selbst zusammenbrechen, wie bisher von der Gegnerseite erhofft. Die für den Herbst angesetzte Volksabstimmung wird vermutlich wegen des hohen Quorums scheitern, sofern die Verfassung nicht mehr rechtzeitig geändert werden kann, woran allerdings kaum jemand mehr glaubt.
Die oben angerissene Frage nach Umfang und Art weiterer Proteste wird beantwortet werden und darüber entscheiden, welches der beiden derzeit einzig plausiblen Szenarien sich realisiert: Entweder erstirbt der Widerstand (still und leise oder nach einer vorschnellen Eskalation mit abschreckenden Gewaltexzessen) und Stuttgart 21 wird gebaut; oder die Gewalt gegen Personen und Sachen nimmt derartige Ausmaße an, dass sich die Deutsche Bahn zurückziehen muss. Eine Verhinderung des Baus durch friedliche Proteste halte ich nicht mehr für wahrscheinlich.
Elegant wäre natürlich eine Art passiver Widerstand der Landesregierung, beispielsweise in Gestalt einer Erklärung von Innenministerium und Stuttgarter Polizei nach weiterer Eskalation, dass die polizeiliche Sicherung der Baustelle angesichts des Ausmaßes der Protestaktionen nicht mehr garantiert werden könne. Für einen solchen Fall rechne ich allerdings, solange nicht auch eine grün-rote Bundesregierung gewählt wird, mit massiver Entsendung von Bundespolizei. Dass es verschiedene, eventuell jahrelange Prozesse staatsorganisations-, straf- und zivilrechtlicher Art geben wird, halte ich ohnehin für ausgemacht.
Alles in allem sollten wir uns, so meine ich, an den Gedanken gewöhnen, dass Stuttgart 21 realisiert werden wird. Ich persönlich habe nicht viel dagegen.
Bild: "Terrazzo" bei Flickr (Details und Lizenz)
1 Kommentar:
Wenn man sich ansieht, welche Ansprüche die Verwaltungsgerichte (und letztlich das BVerfG) regelmäßig an die Polizei stellen, wenn es um den Schutz von Neonazi-Demonstrationen geht, glaube ich kaum, dass ein solcher "passiver Widerstand" rechtlich haltbar wäre. Vielleicht freut sich ein Teil des Pöbels auf eine warme Knastzelle, aber von den Mitgliedern und -arbeitern der Regierung wird niemand dafür seine bürgerliche Karriere auf das Spiel setzen.
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