154: Signalwirkung
Der baden-württembergische Landtag wird, wenn nichts völlig Unvorhersehbares passiert, am 12. Mai Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten an der Spitze einer grün-roten Landesregierung wählen. Bekanntlich sind Kretschmann und die Landesgrünen Gegner des Projekts Stuttgart 21 (hierzu siehe die Berichterstattung im Prellblog seit 2007: 19, 90, 141, 144), die Landes-SPD plädiert für ein Referendum. Die Handlungsoptionen der kommenden Landesregierung und die potenziellen Folgen sind unklar und umstritten. DB und Bundesregierung haben sich bereits positioniert, wenn auch mit jeweils widersprüchlichen Signalen: DB-seitig wurde einerseits verkündet, Bau und Vergaben bis mindestens zur Ministerpräsidentenwahl ruhen zu lassen, andererseits aber, dass das Vorhaben mit Nachdruck verfolgt und im Falle eines Abbruchs maximale Entschädigungen eingefordert würden; seitens der Bundesregierung drohte Verkehrsminister Ramsauer einerseits damit, bei einem Abbruch des Projekts die entsprechenden Fördermittel »blitzschnell« in anderen Bundesländern einzusetzen, andererseits wies er darauf hin, dass der eigentliche Anlass für Stuttgart 21, nämlich der Bau der Neubaustrecke nach Ulm, auch ohne den tiefgreifenden Umbau des Hauptbahnhofs stattfinden könnte.
Ich möchte hier keine Szenarien skizzieren, weil mir die Datenlage einfach zu vage ist; statt dessen gebe ich noch einmal kurz wieder, was ich für die wichtigsten Kernpunkte zum Thema halte:
Das Kostenargument der Gegnerseite ist vorgeschoben; der Budgetoptimismus der Befürworterseite ist überzogen. Alle großen Infrastruktur-Bauprojekte leiden darunter, dass Budgets erheblich überschritten werden; es gibt auch keinen Grund, warum eine andere Einbindungslösung für die Neubaustrecke mit einem kleineren Budgetrisiko verbunden sein sollte als Stuttgart 21. Große Teile der Planungskosten für Stuttgart 21 sind außerdem bereits versunken, während keinerlei ausgearbeitete Alternativplanung existiert. Die Budgetdiskussion mit ihren »Sollbruchstellen«, »Einsparpotenzialen« und »Risikoabsicherungen« ist letztlich ein Jonglieren mit Luftzahlen, in denen sich politische Willenserklärungen mindestens genauso niederschlagen als wirtschaftliche Abwägungen.
Das Fahrzeitargument der Befürworterseite ist vorgeschoben. Stuttgart 21 ist in erster Linie ein städtebauliches Projekt. Der Bahnhofsumbau allein trüge nicht nennenswert zu kürzeren Fahrzeiten bei, dies täte vor allem die Neubaustrecke nach Ulm. Fahrzeitkürzungen im Bereich derer, die durch den Bahnhofsumbau zu erwarten sind (unterer einstelliger Minutenbereich), sind auch mit anderen Mitteln zu erreichen (stärkere Triebfahrzeuge, Anpassung von Bahnsteighöhen im Umland). Was Stuttgart 21 ausmacht, ist, dass es in großem Rahmen neue Flächen im engen Talkessel schafft. Rein verkehrlich ist der neue Bahnhof nicht zu rechtfertigen.
Der »Kopfbahnhof 21«, den die Gegnerseite propagiert, ist kein konkretes Konzept und auch nicht die einzige andere Lösungsmöglichkeit. Es handelt sich lediglich um ein loses Bündel von Vorschlägen, das Jahre und hohe Millionensummen brauchen wird, bevor es überhaupt mit einem gewissen Recht als ein ausführungsfähiger Entwurf bezeichnet werden kann. Auch der »Kopfbahnhof 21« wird kilometerlange Tunnelstrecken brauchen sowie vermutlich eine nur schwer durchzusetzende neue Trasse (eventuell auf Ständern) durch das dicht besiedelte Neckartal. Je nach der Radikalität der Vorschläge müsste auch gleich die Neubaustrecke nach Ulm, das eigentliche Kernprojekt, umgeplant werden, woran Bund und DB sicher kein großes Interesse haben. Es waren im Übrigen in der Anfangsphase der Planungen auch »Zwischenlösungen« im Gespräch, zum Beispiel der Hinzubau von querliegenden Tiefgleisen zum bestehenden Hauptbahnhof - die Entweder-Oder-Frage »Tiefbahnhof oder Kopfbahnhof?« ist eine rein politisch konstruierte.
Studien und »Stresstests« sind mittlerweile nur noch Manövriermasse. Beide Seiten operieren in der Diskussion um Stuttgart 21 mit verschiedensten Studien und Expertisen teilweise fragwürdiger Abkunft: der so genannte »Stresstest« ist auch nichts anderes als eine im »Schlichtungsverfahren« besonders abgesegnete Studie, der mittlerweile von der Gegnerseite ebenfalls die Legitimation abgesprochen wird. Es gibt immer genügend Parameter, an denen man drehen kann, um den neuen Bahnhof mehr oder weniger leistungsfähig erscheinen zu lassen.
Ich bin weiterhin leidenschaftsloser Befürworter des Projekts und kann weiterhin keine Einschätzung dazu geben, wie es mit ihm weitergehen wird. Wie früher angedeutet, halte ich den geschehenen und noch kommenden politischen und kulturellen Flurschaden durch den beiderseits fragwürdigen Umgang mit der Sache für jetzt bereits größer als allen Schaden, den ein wie auch immer gearteter Bahnhofsumbau, der es durch die Hürden des deutschen Planungsrechts schafft, anrichten könnte. Und auch wenn man mir dafür Überempfindlichkeit vorwerfen mag: Dass es anscheinend quer durch die Gesellschaft wieder salonfähig geworden ist, gegen den Verkauf von Boden aus »Volkseigentum« an »Spekulanten« zu agitieren, halte ich persönlich für am schlimmsten.
Bild: »jpmueller99« bei Flickr (Details und Lizenz)
Ich möchte hier keine Szenarien skizzieren, weil mir die Datenlage einfach zu vage ist; statt dessen gebe ich noch einmal kurz wieder, was ich für die wichtigsten Kernpunkte zum Thema halte:
Das Kostenargument der Gegnerseite ist vorgeschoben; der Budgetoptimismus der Befürworterseite ist überzogen. Alle großen Infrastruktur-Bauprojekte leiden darunter, dass Budgets erheblich überschritten werden; es gibt auch keinen Grund, warum eine andere Einbindungslösung für die Neubaustrecke mit einem kleineren Budgetrisiko verbunden sein sollte als Stuttgart 21. Große Teile der Planungskosten für Stuttgart 21 sind außerdem bereits versunken, während keinerlei ausgearbeitete Alternativplanung existiert. Die Budgetdiskussion mit ihren »Sollbruchstellen«, »Einsparpotenzialen« und »Risikoabsicherungen« ist letztlich ein Jonglieren mit Luftzahlen, in denen sich politische Willenserklärungen mindestens genauso niederschlagen als wirtschaftliche Abwägungen.
Das Fahrzeitargument der Befürworterseite ist vorgeschoben. Stuttgart 21 ist in erster Linie ein städtebauliches Projekt. Der Bahnhofsumbau allein trüge nicht nennenswert zu kürzeren Fahrzeiten bei, dies täte vor allem die Neubaustrecke nach Ulm. Fahrzeitkürzungen im Bereich derer, die durch den Bahnhofsumbau zu erwarten sind (unterer einstelliger Minutenbereich), sind auch mit anderen Mitteln zu erreichen (stärkere Triebfahrzeuge, Anpassung von Bahnsteighöhen im Umland). Was Stuttgart 21 ausmacht, ist, dass es in großem Rahmen neue Flächen im engen Talkessel schafft. Rein verkehrlich ist der neue Bahnhof nicht zu rechtfertigen.
Der »Kopfbahnhof 21«, den die Gegnerseite propagiert, ist kein konkretes Konzept und auch nicht die einzige andere Lösungsmöglichkeit. Es handelt sich lediglich um ein loses Bündel von Vorschlägen, das Jahre und hohe Millionensummen brauchen wird, bevor es überhaupt mit einem gewissen Recht als ein ausführungsfähiger Entwurf bezeichnet werden kann. Auch der »Kopfbahnhof 21« wird kilometerlange Tunnelstrecken brauchen sowie vermutlich eine nur schwer durchzusetzende neue Trasse (eventuell auf Ständern) durch das dicht besiedelte Neckartal. Je nach der Radikalität der Vorschläge müsste auch gleich die Neubaustrecke nach Ulm, das eigentliche Kernprojekt, umgeplant werden, woran Bund und DB sicher kein großes Interesse haben. Es waren im Übrigen in der Anfangsphase der Planungen auch »Zwischenlösungen« im Gespräch, zum Beispiel der Hinzubau von querliegenden Tiefgleisen zum bestehenden Hauptbahnhof - die Entweder-Oder-Frage »Tiefbahnhof oder Kopfbahnhof?« ist eine rein politisch konstruierte.
Studien und »Stresstests« sind mittlerweile nur noch Manövriermasse. Beide Seiten operieren in der Diskussion um Stuttgart 21 mit verschiedensten Studien und Expertisen teilweise fragwürdiger Abkunft: der so genannte »Stresstest« ist auch nichts anderes als eine im »Schlichtungsverfahren« besonders abgesegnete Studie, der mittlerweile von der Gegnerseite ebenfalls die Legitimation abgesprochen wird. Es gibt immer genügend Parameter, an denen man drehen kann, um den neuen Bahnhof mehr oder weniger leistungsfähig erscheinen zu lassen.
Ich bin weiterhin leidenschaftsloser Befürworter des Projekts und kann weiterhin keine Einschätzung dazu geben, wie es mit ihm weitergehen wird. Wie früher angedeutet, halte ich den geschehenen und noch kommenden politischen und kulturellen Flurschaden durch den beiderseits fragwürdigen Umgang mit der Sache für jetzt bereits größer als allen Schaden, den ein wie auch immer gearteter Bahnhofsumbau, der es durch die Hürden des deutschen Planungsrechts schafft, anrichten könnte. Und auch wenn man mir dafür Überempfindlichkeit vorwerfen mag: Dass es anscheinend quer durch die Gesellschaft wieder salonfähig geworden ist, gegen den Verkauf von Boden aus »Volkseigentum« an »Spekulanten« zu agitieren, halte ich persönlich für am schlimmsten.
Bild: »jpmueller99« bei Flickr (Details und Lizenz)
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