Donnerstag, 2. April 2009

90: Das war's

Man kann nur selten davon sprechen, dass sich in der Eisenbahnwelt die Ereignisse überschlagen, aber dieser Tage ist es tatsächlich so: Zum einen tritt Hartmut Mehdorn als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn ab und wird, wenn nichts mehr dazwischen kommt, durch Rüdiger Grube ersetzt werden; zum anderen sind heute die Finanzierungsvereinbarungen für Stuttgart 21 (vgl. Prellblog 19) unterzeichnet worden und dem Riesenprojekt steht damit nicht mehr viel im Wege.


Was ist der gemeinsame Nenner dieser Themen?
Am Beispiel des Personalwechsels an der DB-Spitze lassen sich Abwehrreaktionen beobachten, die mittlerweile schon fast klassisch sind. Die Hüter der reinen Lehre in Kreisen von Bahnfans und Exponenten alternativer Verkehrspolitik (wenigstens in der Selbstwahrnehmung) sehen es keiner DB-Führungskraft nach, Kontakt mit einer »eisenbahnfeindlichen« Branche wie der Luftfahrt, dem Flugzeugbau, oder am allerschlimmsten dem Autobau gehabt zu haben. Entsprechende Pressemitteilungen hat es bereits gegeben; der VCD schreibt, die »Chance auf einen Neuanfang« sei vertan, weil Grube von Daimler herkommt und als früherer Büroleiter Mehdorns ebenfalls bei Airbus tätig war. Anderswo ist schlicht die Rede von einem Scheitern Mehdorns, unter dessen Ägide doch immerhin der früher existenziell bedrohte Marktanteil der Bahn sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr stabilisiert und mittlerweile sogar ausgebaut worden ist. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich andere europäische Eisenbahnmärkte anschaut, und zwar die privatisierten wie die staatsdominierten.

Dass Stuttgart 21 wiederum, eine Idee der Bundesbahn beziehungsweise von Mehdorns Vorgängern, mittlerweile ebenso wie der zu seinem Amtsantritt bereits in Bau befindliche Berliner Hauptbahnhof auf seine Kappe gerechnet werden, zeigt den Mangel an Klarheit in der Öffentlichkeit darüber, wie die Verhältnisse im deutschen Bahnwesen strukturiert sind und wie sich sich in den letzten Jahren entwickelt haben. Das ist auch kein Wunder, da selbst unter Politikern das Verständnis für die komplexe institutionelle Landschaft fehlt, die in ihren Grundzügen viel älter ist als die Bahnreform und eine Staatsbahn mit Global-Player-Ambitionen genauso hervorgebracht hat wie die exzellenten Ergebnisse des Ausschreibungswettbewerbs im Nahverkehr, einen Flickenteppich von Verkehrsverbünden ebenso wie die juristisch willkürliche Abgrenzung von Straßenbahnen, Hauptbahnen, Nebenbahnen und Anschlussbahnen.
Es tut mehr Wissen not über die Bahn, nicht nur in der Politik und nicht nur in den Medien, die jenseits der FAZ überwiegend ahnungslos sind, was den Schienenverkehr betrifft. Mit mehr Bildung und weniger Aufregung legt sich dann vielleicht auch die zum Selbstläufer gewordene Verdammung der Bahn, die so weit eingerissen ist, dass es unter gebildeten jungen Menschen Anfang zwanzig vollkommen konsensfähig ist, einfach nur über »die Schweine von der Bahn« zu reden, wenn man die DB meint. Gegen die Heuchelei so manches »interessierten« Vielfahrers, der behauptet, mehr Verkehr auf der Schiene haben zu wollen und in Wirklichkeit nur möglichst viele möglichst leere Züge wünscht, ihn höchstpersönlich zu befördern, können Wissen und Vernunft allerdings nichts ausrichten, genausowenig wie gegen die des »Eisenbahnfreunds«, dessen Kontakt mit der Bahn sich neben zweimal jährlichem Benutzen von Dampfsonderzügen auf nicht eben evidenzbasiertes Schwadronieren gegen »den Mehdorn«, der »die Bahn kaputt macht« beschränkt.

Ich erwische mich beim Gedanken, dass es auch deswegen sein Gutes hat, dass Mehdorn geht, weil er nun nicht mehr als Hassfigur herhalten kann; aber das zu akzeptieren, hieße, akzeptieren, dass ein Sündenbock in die Wüste geschickt wird. Aus einigen anderen Gründen halte ich es für gut, dass er geht, aber er soll nicht als der in Erinnerung bleiben, der alles schlecht gemacht hat. Denn das hat er nicht. Er hat sogar vieles gut gemacht, und die besondere kollektivpsychische Beziehung der Deutschen zum öffentlichen Verkehr, die sich im massenhaften Fotografieren von 103er E-Loks ebenso äußert wie im unmotivierten Zusammenschlagen von Busfahrern, muss eingeklammert werden, will man seine Leistung bewerten.

Bild: Alexander Stübner »Alex //Berlin« bei Flickr (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

Keine Kommentare: