Donnerstag, 26. März 2009

89: Schlüssig

Um Güter mit der Eisenbahn von A nach B zu bringen statt bloß vom Güterverkehrszentrum Region A zum Containerterminal Region B müssen wirklich von A bis B Schienen liegen. Das war früher schon nicht unbedingt die Regel - die Eisenbahnen transportierten zwar so ziemlich jede Fracht von jedem Dorfbahnhof zu jedem anderem, aber den Zu- und Abbringerverkehr übernahmen die örtlichen Fuhrleute. Dennoch ist jedem, der in den letzten Jahren ein Auge auf die Entwicklung des Schienengüterverkehrs hatte, aufgefallen, dass die Anzahl der Gleisanschlüsse drastisch abgenommen hat.

Bei der Deutschen Bahn hieß das dafür verantwortliche Einsparprogramm »MORA-C«; auch bei anderen Staatsbahnen (in der hochgelobten Schweiz ebenso wie in Frankreich) hat es vergleichbare Kahlschläge gegeben. Hierzu ist von verschiedener Seite korrekt angemerkt worden, dass die Erhaltung betriebswirtschaftlich nicht unmittelbar rentabler Anschlüsse eine Sache der Kommunen gewesen wäre, die auch in der Tat vielerorts, häufig in Zusammenhang mit kommunalen Eisenbahnverkehrsunternehmen oder Hafenbetrieben, Anschlussbahnen betreiben. Hier und da gibt es denn auch, in letzter Zeit staatlich stark geförderte, Neuanlagen oder Reaktivierungen. Das ändert aber nichts am Trend.

Daher floss und fließt seit Jahren, wenn nicht eher Jahrzehnten, eine Menge Hirnschweiß in Konzepte, um die letzte Meile für die Schiene wieder attraktiver zu machen. Passiert ist außer der genannten staatlichen Gleisanschlussförderung wenig. Ein Pilotprojekt für die Bedienung von Industrieanlagen in Dortmund durch fahrerlose Gütertriebwagen auf Basis des Siemens-Entwurfs »CargoMover« dümpelt seit 2004 vor sich hin; das Problem für jede auf automatischen Fahrzeugen basierende Lösung ist die Sicherung der Strecke vor Fremdeinflüssen, die eigentlich nur durch eine durchgängige Einzäunung und radarüberwachte Vollschranken, wie sie an Hauptstrecken üblich sind, an den Bahnübergängen zu leisten ist. Gütertriebwagen mit Fahrer hat es bereits öfters gegeben (z.B. die belgischen Posttriebzüge oder in Deutschland 1997 den »CargoSprinter«), durchgesetzt haben sie sich nicht, da ja gerade die Bewegung relativ unkomplizierter, antriebsloser Wagen durch Lokomotiven einen Vorteil des Schienengüterverkehrs ausmacht. Häufig ist ja auch die flächendeckende Einführung der automatischen Mittelpufferkupplung (siehe Prellblog 8) zum Allheilmittel für den Einzelwagenverkehr ausgerufen worden, aber ob der Lokrangierführer jetzt nun fünf Sekunden oder fünf Minuten braucht, um seine Zustellung abzukuppeln, macht im Falle von Tante Trudes kleiner Stahlgießerei, die nur einmal die Woche zwei Wagen empfängt, keinen enormen Effizienzgewinn aus.
- Auch mit den innovativsten Fahrzeugen kommt man nicht daran vorbei, dass jeder Gleisanschluss irgendwo einen Abzweig mit einer Weiche braucht. Normalerweise ist auch signaltechnische Zusatzausrüstung vonnöten, die es ermöglicht, dass auf dem Hauptgleis der Verkehr weitergeht, während ein Zug im Anschlussgleis unterwegs ist (man spricht daher von Ausweichanschlussstellen). Und Weichen sind, nicht nur, wenn man die DB fragt, teuer im Unterhalt; die Integration von Anschlussweichen in neu zu projektierende computerisierte Großstellwerke ist auch nicht ganz einfach, vor allem, da solche Umbauten meistens ohnehin in Einsparorgien ausarten. Es zeichnet sich zwar allmählich ab, dass das Eisenbahnbundesamt zumindest auf Hauptstrecken den weiteren reihenweisen Abbau von Weichen eindämmt, wegdiskutieren kann man das Problem der Infrastrukturkosten jedoch nicht.

TüftlerInnen haben sich mehr darauf verlegt, den alten Vertriebsweg über Dorfbahnhof und Fuhrmann wieder aufzupolieren, indem sie an Lösungen arbeiten, ohne große ortsfeste Infrastruktur Ladungseinheiten umzuschlagen. Dem Erfindungsreichtum sind keine Grenzen gesetzt (auch in meiner eigenen Verwandtschaft gibt es seit Jahrzehnten Überlegungen zum Thema): Spezialwagen können Abrollcontainer schräg aus dem gekuppelten Zug herausdrehen und absetzen (»ACTS«); andere können normale Container und Wechselbrücken entweder selbsttätig absetzen (Seitenlader) oder horizontal auf den Lkw verschieben (»Mobiler«); es gibt sogar eine Lösung für das Laden oder Entladen eines kompletten Zuges mit Sattelaufliegern in einer Viertelstunde (»Modalohr«).
Allerdings: Da man mit sogenannten »Reach-Stackern« mittlerweile selbstfahrende Hebezeuge leasen kann, die Container oder Wechselbrücken auf-, ab- und umladen können, braucht man für herkömmlichen Containerumschlag mittlerweile auch nicht mehr als ein Seitengleis (ggf. mit einer Lücke in der Oberleitung) und eine ausreichend belastbare Ladestraße. (So gesehen z.B. beim Containerterminal der Vulkaneifelbahn in Gerolstein.) Insofern ist es fraglich, ob wirklich eine zündende Innovation massenweise kombinierten Verkehr in der Fläche ermöglichen wird.

Das Fazit, das sich aufdrängt, ist: Wies so oft ist es das gebündelte Interesse verschiedener Akteure, was Gleisanschlüsse und kleinräumigen kombinierten Verkehr wieder vitalisiert - das Unternehmen garantiert die Nutzung, die Kommune übernimmt die Gleisanlagen bis zum Werkszaun, eine mittelständische Privatbahn (»hier rangiert der Chef noch selbst«) erledigt die Bedienung, das Land schießt noch was zu und der Laden läuft. Aber solange einerseits die öffentliche Hand selber mit fragwürdigen Methoden versucht, Engagement im Eisenbahnbereich zu blockieren (siehe Wiehltalbahn) und sich andererseits Leute, die direkt neben eine Bahnstrecke gezogen sind, beschweren, wenn da tatsächlich auch Züge fahren (so gesehen zuletzt hier um die Ecke in Nieder Ofleiden), ist nicht zu erwarten, dass es zum Massenphänomen wird, dass Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft für die Eisenbahn als real existierendes lokales Güterverkehrsmittel an einem Strang ziehen. 

Bild: Nate Beal bei Flickr (Details und Lizenz)

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