145: Hebel und Schrauben
Beim Neu- und Ausbau von Straßen, Wasserstraßen und Schienenwegen in Deutschland herrscht Planwirtschaft. Es gibt einen alle paar Jahre fortgeschriebenen Bundesverkehrswegeplan (BVWP), in dem verschiedene Bauprojekte, unterschieden nach vordringlichem und weiterem Bedarf, beschrieben sind; dieser Plan hat zwar keinerlei unmittelbar bindende Wirkung, dient jedoch in der Regel als Grundlage für die regelmäßig neu aufgestellten Gesetze, die die konkreten Investitionen regeln. Bei der Eisenbahn ist das das Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG oder auch BSchWAG - die Abkürzung ist inoffiziell), dem jeweils wieder ein Bedarfsplan als Anlage beiliegt, und das seinerseits wieder durch Änderungsgesetze fortgeschrieben wird.
Dieser Bedarfsplan (ich rede jetzt der Einfachheit halber nur noch über Schienenprojekte) muss alle fünf Jahre überprüft werden, wobei unter anderem für jedes Projekt einzeln das so genannte Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV; auch Nutzen-Kosten-Indikator o.Ä. genannt) neu berechnet wird. Dies geschieht nach einem von Verkehrswissenschaftlern entwickelten, genormten Verfahren namens standardisierte Bewertung (salopp: »Standi«). Und genau das ist neulich gemacht worden; vor 14 Tagen hat der Bundesverkehrsminister die Ergebnisse vorgestellt; und es gab ein gewisses Presseecho vor allem für die Projekte, deren NKV unter 1,0 gerutscht ist und die daher nicht mehr finanzierungsfähig sind.
Unter anderem sind dies verschiedene Ausbauvorhaben in Norddeutschland (Lübeck-Rostock-Stralsund, Neumünster-Oldesloe, Langwedel-Uelzen, Minden-Haste-Seelze, Oldenburg-Leer), deren Effekte sich mit anderen Ausbaumaßnahmen überschneiden oder aus anderen Gründen nicht mehr ausreichen, um die Finanzierung zu rechtfertigen. Auch der Ausbau der Strecke von der niederländischen Grenze bei Venlo Richtung Mönchengladbach wird zurückgestellt, da ja schon der Ausbau von Oberhausen zur Grenze bei Emmerich betrieben wird.
Spannender ist der Abschied von den Ausbaumaßnahmen Hagen-Gießen und Hagen-Warburg, wo ursprünglich die Voraussetzungen für den Einsatz von Neigetechnik geschaffen werden sollten. Die FAQ des Ministeriums stellt hier recht unverblümt fest, dass der Traum von der Neigetechnik weitgehend ausgeträumt sei; vor Jahren war ja schon hinter vorgehaltener Hand zu hören, sie sei ein historischer Fehler gewesen (siehe auch Prellblog 7).
Bei anderen Projekten konnte das NKV nur durch Änderungen des Zuschnitts über 1,0 gehalten werden. So wurde für die geplante Y-Trasse Hannover-Hamburg/Bremen und für den Neubaustreckenabschnitt Hanau-Würzburg/Fulda (»Mottgers-Spange«) die Entwurfsgeschwindigkeit von 300 km/h auf 250 km/h abgesenkt und bei der Y-Trasse zusätzlich eine Umfahrung von Hannover eingeplant, um zusätzlichen Nutzen für den Güterverkehr herauszuholen (siehe auch Prellblog 71). Diverse andere Vorhaben wurden eingedampft, indem nun weniger Gleise hinzukommen als geplant oder Ausbauabschnitte verkürzt wurden.
Alles in allem kann man dieser Überprüfung, wenn man ihr realistischerweise zugesteht, dass die Ergebnisse der Studien nicht völlig wertfrei, sondern auch immer politisch gefärbt sind, entnehmen, dass die Bedarfsplanung des Bundes ein ganzes Stück von dem, was gerne als »Prestigeprojekte« beschimpft wird, abgerückt ist. Weniger Tempo 300, mehr Augenmerk auf den Güterverkehr - das sollte auch den »alternativen Verkehrspolitikern« gefallen.
Bild: M. M. O'Shaughnessy 1930, über San Francisco Public Library und Eric Fisher bei Flickr (Details und Lizenz)
Dieser Bedarfsplan (ich rede jetzt der Einfachheit halber nur noch über Schienenprojekte) muss alle fünf Jahre überprüft werden, wobei unter anderem für jedes Projekt einzeln das so genannte Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV; auch Nutzen-Kosten-Indikator o.Ä. genannt) neu berechnet wird. Dies geschieht nach einem von Verkehrswissenschaftlern entwickelten, genormten Verfahren namens standardisierte Bewertung (salopp: »Standi«). Und genau das ist neulich gemacht worden; vor 14 Tagen hat der Bundesverkehrsminister die Ergebnisse vorgestellt; und es gab ein gewisses Presseecho vor allem für die Projekte, deren NKV unter 1,0 gerutscht ist und die daher nicht mehr finanzierungsfähig sind.
Unter anderem sind dies verschiedene Ausbauvorhaben in Norddeutschland (Lübeck-Rostock-Stralsund, Neumünster-Oldesloe, Langwedel-Uelzen, Minden-Haste-Seelze, Oldenburg-Leer), deren Effekte sich mit anderen Ausbaumaßnahmen überschneiden oder aus anderen Gründen nicht mehr ausreichen, um die Finanzierung zu rechtfertigen. Auch der Ausbau der Strecke von der niederländischen Grenze bei Venlo Richtung Mönchengladbach wird zurückgestellt, da ja schon der Ausbau von Oberhausen zur Grenze bei Emmerich betrieben wird.
Spannender ist der Abschied von den Ausbaumaßnahmen Hagen-Gießen und Hagen-Warburg, wo ursprünglich die Voraussetzungen für den Einsatz von Neigetechnik geschaffen werden sollten. Die FAQ des Ministeriums stellt hier recht unverblümt fest, dass der Traum von der Neigetechnik weitgehend ausgeträumt sei; vor Jahren war ja schon hinter vorgehaltener Hand zu hören, sie sei ein historischer Fehler gewesen (siehe auch Prellblog 7).
Bei anderen Projekten konnte das NKV nur durch Änderungen des Zuschnitts über 1,0 gehalten werden. So wurde für die geplante Y-Trasse Hannover-Hamburg/Bremen und für den Neubaustreckenabschnitt Hanau-Würzburg/Fulda (»Mottgers-Spange«) die Entwurfsgeschwindigkeit von 300 km/h auf 250 km/h abgesenkt und bei der Y-Trasse zusätzlich eine Umfahrung von Hannover eingeplant, um zusätzlichen Nutzen für den Güterverkehr herauszuholen (siehe auch Prellblog 71). Diverse andere Vorhaben wurden eingedampft, indem nun weniger Gleise hinzukommen als geplant oder Ausbauabschnitte verkürzt wurden.
Alles in allem kann man dieser Überprüfung, wenn man ihr realistischerweise zugesteht, dass die Ergebnisse der Studien nicht völlig wertfrei, sondern auch immer politisch gefärbt sind, entnehmen, dass die Bedarfsplanung des Bundes ein ganzes Stück von dem, was gerne als »Prestigeprojekte« beschimpft wird, abgerückt ist. Weniger Tempo 300, mehr Augenmerk auf den Güterverkehr - das sollte auch den »alternativen Verkehrspolitikern« gefallen.
Bild: M. M. O'Shaughnessy 1930, über San Francisco Public Library und Eric Fisher bei Flickr (Details und Lizenz)
1 Kommentar:
Hallo allerseits,
hab mal den Fall der "Mottgers-Spange" genau verglichen (Fall 16 bzw. 16a des BVWP 2010). Die einzige Modifikation am Verkehrsweg um den NKV über 1.0 zu halten, ist die Runterqualifizierung des Oberbaus auf 250 km/h anstatt 300km/h. Das spart 5 Mio€, was der BVWP selber als unbedeutend bezeichnet.
Das NKV von Fall 16a wird hauptsächlich durch zusätzlichen Nutzen durch Verlagerung Güterverkehr von Strasse auf Schiene herbeigerechnet, denn man genauso gut oder schlecht auch für Fall 16 hereinrechen hätte haben können. Zum kleineren Teil kommt die Verbesserung des NKV hier noch aus den geringeren Betriebskosten der zukünftigen/noch nicht existierenden IC-X Züge im Vergleich zum ICE-3 :-).
Diese NKV Berechnung ist also hohe (Hellseher)-Kunst
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