Donnerstag, 5. Juli 2007

17: Put the Hebel on the Table

Im Zusammenhang mit den Streiks der letzten Tage und den exorbitant scheinenden Lohnforderungen der Gewerkschaft der Lokführer befassen sich auch Presse und interessierte Laien näher mit diesem Beruf. »Was macht so jemand eigentlich?« ist die erste Frage; die zweite fragt interessanterweise gerne danach, wie er sich mit dem der Verkehrspilotin vergleichen lasse.
Auf den ersten Blick scheint der Führerstand eines modernen Triebfahrzeugs sehr simpel. Ähnlich wie in der Luftfahrt ist man zum »Glascockpit« mit mehreren, inzwischen sogar farbigen, Multifunktionsanzeigen übergegangen; die letzten verbliebenen Rundinstrumente sind oft die Manometer, passend zur Sicherheitslogik der Eisenbahn, die vorsieht, dass das Druckluftbremssystem immer und unter allen Umständen funktionieren muss, auch wenn sonst alles ausfällt.
Zu bedienen gibt es recht wenig, es ist schon viel, wenn es für Fahren und Bremsen noch getrennte Schalter gibt: Oft ist das mittlerweile in einem einzigen Schalter zusammengefasst. Motorenregelung und Bremsmanagement erledigt der Computer, zum Anfahren legt man also den Hebel auf den Tisch und der Zug zieht davon. Moderne Lokomotiven erreichen übrigens ohne Anhängelast Beschleunigungswerte, bei denen Hinsetzen dringend geboten ist.
Schwieriger ist es da schon zu bremsen, was als die wahre Kunst gilt. So ein Zug hat im Bahnhof an seiner entsprechenden Haltetafel zum Stehen zu kommen, damit auch an allen Türen der Bahnsteig ist und die Abschnittsbuchstaben ihren Sinn haben. Je nach Zuglänge mag es mehrere Tafeln geben, und vielleicht hält der Zug ja auch nicht an jedem Bahnhof. Das führt direkt zum Kern der Arbeit des Lokführers: Nicht nur einfach einen Zug fahren, sondern ihn nach Fahrplan fahren, denn kein Zug darf ohne Fahrplan verkehren. Daher ist auch der Platz in der Mitte des Fahrtischs leer, weil dort jede Menge Literatur zu liegen kommen kann, Hefte, aus denen genau zu entnehmen ist, wie auf der Strecke gefahren werden darf und muss, wie das Fahrzeug gefahren werden darf und muss, wann dieser Zug wo wie lange hält, welche außerplanmäßigen Langsamfahrstellen es gibt und so weiter. Große Teile dieser Informationen werden zwar schon per Monitor geliefert, aber eben noch nicht alle und nicht immer.
Das führt zur wichtigsten Aufgabe, der Sicherheit. Wer einen Zug fährt, ist für seinen korrekten und sicheren Betrieb verantwortlich. Viele wissen, dass man bei der Eisenbahn zweimal pro Minute einen Knopf drücken oder ein Pedal kurz loslassen muss, weil sonst der Zug automatisch gebremst wird. Das ist aber längst nicht alles. Die Triebfahrzeugführerin muss die Signale beachten, automatische Zugbeeinflussungen quittieren, Befehle der Fahrdienstleitung ausführen (aber nur genau dann, wenn sie formgerecht erteilt wurden und nichts entgegensteht) und vieles mehr. Gegebenenfalls, wenn das kein anderes Personal tut, hat sie sich um das sichere Schließen und Freimachen der Türen zu kümmern, vor Schichtbeginn die Bremsen zu prüfen, Störungen zu beheben, Ansagen über die Bordlautsprecher zu machen und vieles andere mehr. Im Gegensatz zum Flugzeugführer muss sie außerdem damit rechnen, dass in ihrem Berufsleben statistisch mindestens einmal ein Selbstmörder vor ihr Fahrzeug springt.


Bild: Keystone 1923, über Library of Congress und Wikimedia Commons (Details und Rechtefreigabe)

Keine Kommentare: