Anderen ist die Situation vielleicht auch bekannt, mir auf jeden Fall sehr gut: Man steht an einem Bahnsteig eines großen Kopfbahnhofes, sagen wir, Frankfurt am Main, direkt an der weißen Linie. Der Zug fährt ein, sagen wir, ein Intercity, bespannt mit einer Drehstromlok Baureihe 101, und er fährt ein mit einer Geschwindigkeit, zu der ich einmal irgendwo den österreichischen Kommentar »Das derbremst der nie!« lesen durfte.
Wie ein vierundachtzig Tonnen schwerer Staubsauger heulend zieht die Lok vorbei, man könnte fast mit ausgestrecktem Arm das glatte rote Seitenblech berühren, und in diesem Moment wird einem schlagartig klar, welche kinetische Energie dieser Zug gerade in all seinen zirka achtzig Scheibenbremsen vernichten muss und dass es diesmal bestimmt nicht klappt -
Und es klappt natürlich immer, die Züge stehen bekanntlich stets geradezu punktgenau vor dem Gleisende, und die Scheibenwäscher können mit ihren langen Schrubbern problemlos vom Querbahnsteig her die zerspratzten Insekten von der Lokfront putzen.
Für den Fall, dass es einmal nicht klappt, gibt es die (nicht nur in Frankfurt mit absurden Blumenkästen geschmückten) Gegenstände, denen dieses Blog seinen Namen verdankt: Prellböcke.
Anders als bei vielen anderen Geräten des Eisenbahnbetriebs ist der Prellblock an sich quasi selbsterklärend. Da ist etwas, das Züge aufhalten soll, die dagegen fahren. Das ist relativ einsichtig.
Was nicht so offensichtlich ist, ist, dass Prellböcke heutzutage keine festen Bauwerke mehr, sondern normalerweise als sogenannte Bremsprellböcke mit den Schienen verbunden sind. Durch Entlanggleiten an den Schienen, Zusammenfalten scherenartiger Vorrichtungen im Gleis, Mitnehmen von Schwellen und ähnliche Kunstgriffe kann der Prellbock, oft unter Inkaufnahme der eigenen Zerstörung oder des Demolierens einiger Meter Gleis, selbst schwere Züge bei gar nicht so geringen Geschwindigkeiten (10 km/h für Zugfahrten, 15 km/h für Rangierfahrten sind der Richtwert) abbremsen, ohne dass es zu einem Entgleisen kommt. Die Bremsvorrichtungen der Gleisabschlüsse in Frankfurt, Stuttgart oder anderswo sind dafür so umfangreich, dass sie unter dem Querbahnsteig weiterlaufen.
Angesichts mehrerer schwerer historischer Unglücke in Kopfbahnhöfen -das Bild mit der Lokomotive, die am 22.10.1895 die Fassade der Gare Montparnasse durchbrochen hatte, sollte man schon gesehen haben- ist der Aufwand zweifellos gerechtfertigt. Erfunden wurde der Bremsprellbock ja überhaupt erst, nachdem in Frankfurt ein internationaler Fernzug in einen Speisesaal gefahren war. Die Firma Rawie, wo die Idee damals aufkam, ist übrigens immer noch Marktführer.
Aber auch aus weniger dramatischen Gründen ist es sinnvoll, Gleise technisch abzuschließen, denn etwas passieren kann immer. Kurz nach Einführung des Bremsprellbocks, zu geruhsamen Zeiten, als die Lokomotiven von Güterzügen noch eingesetzt wurden, um unterwegs Wagen ein-, aus- und umzurangieren, wurde die technische Neuerung damit gerühmt, dass mit einer genügend starken Kette der aufprallende Zug selber den Gleisabschluss wieder dorthin zurückschleppen konnte, wo er auf ihn aufgefahren war.
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