72: Projekt Eiertanz 8: Die lange Bank
Nach einigem Lärm um die Sonderzahlungen, die der Bahn-Vorstand im Falle eines geglückten Börsengangs erhalten sollte, und vor der Kulisse einer weltweit in sich zusammenfallenden Wirtschaft ist die teilweise Kapitalprivatisierung der DB ML AG nun endgültig auf unbestimmte Zeit vertagt worden.
Die einen triumphieren, die anderen beweinen es; von der Rückkehr zur verkehrspolitischen Vernunft bis zur völligen Einstellung jeder Verkehrspolitik, die diesen Namen verdient, werden die unterschiedlichsten Etiketten an diesen Vorgang gehängt. Vermutlich wird der Traum von der volkseigenen Einheitsstaatsbahn, die sich nicht mehr in Ausschreibungen bewähren muss und gepflegte Bürogummibäume wieder höher als Effizienzsteigerung und Neuverkehrsakquise priorisieren kann, bei den üblichen Verdächtigen nun wieder lauter geträumt, aber zu rechnen ist damit nun wahrlich nicht. Man kann sich nun anderen Themen zuwenden, das ist nicht schlecht.
Eines dieser Themen ist die Tranche im gerade beschlossenen Infrastrukturpaket, die der Schiene zugute kommen soll. Ich hatte schon Probleme, überhaupt die Höhe der Investitionen ausfindig zu machen (Straße und Schiene gemeinsam wohl zwei Milliarden Euro), und in welche Bereiche sie gehen sollen, weiß ich auch noch nicht. Das sinnvollste wäre es wohl, damit einfach das Bautempo bei laufenden Großprojekten (Nürnberg-Erfurt-Halle/Leipzig!) zu erhöhen und eventuell überbleibende Mittel in bereits ausgeplante kleinteilige Maßnahmen zu stecken, wie zum Beispiel Bahnübergangsbeseitigungen und Bahnhofsmodernisierungen.
Man wird sehen, was rumkommt. Der gegenwärtige Bundesverkehrswegeplan würde auch eine Verzwanzigfachung des Eisenbahnbudgets vertragen, ohne dass man sich so schnell Gedanken um neue Projekte machen müsste. Dass auf der anderen Seite ohne Not und ohne jeden verkehrspolitischen Sachverstand eine riesige Summe an Steuererleichterungen den AutofahrerInnen hingeworfen wird, in Zeiten, in denen die Deutschen allmählich erkennen, dass es nicht ehrenrührig ist, kein Auto zu haben, wenn man keines braucht (und eine zweistellige Millionenzahl braucht keines) - dazu wird der Chronist versuchen zu schweigen.
Es ist so oder so sicher nicht schlecht, den Börsengang verschoben zu haben, der ohnehin, wenn überhaupt, aus Angst vor einem völligen Scheitern ohne Rücksicht auf die enttäuschenden Einnahmen durchgedrückt worden wäre. Ordentliches Staatshandeln sieht anders aus. Die derzeit grassierende Mode, alles Schlechte dieser Welt bei der Jagd von Unternehmensvorständen nach Boni zu suchen, muss man trotzdem nicht mitmachen, und schon gar nicht gleich noch behaupten, dass die aktuellen Radsatzwellenprobleme verschiedener ICE-Baureihen durch den bösen Börsengang bedingt seien.
Bild: »Priwo« bei Wikimedia Commons (Details und Rechtefreigabe)
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