Freitag, 26. Oktober 2007

33: Nah und fern

Im Zusammenhang mit dem Eisenbahnerstreik ist wieder einmal deutlich gemacht worden, dass es einen auch juristisch trennscharfen Unterschied zwischen Nah- und Fernverkehr bei den deutschen Eisenbahnen gibt. Eine vergleichbare Unterscheidung macht man wohl auch in Schweden.

Für alle, die sich mit der von DB-Personal gerne gebrauchten Faustregel »Fernverkehr sind die weißen Züge, Nahverkehr die roten« nicht zufrieden geben wollen, sei es, weil sie wissen, dass es eine ganze Menge DB-Konkurrenzunternehmen gibt, oder weil Reste des DB-Fahrzeugparks bis heute nicht umlackiert worden sind, hier daher eine ausführliche Erklärung.
Nahverkehr wird von den Ländern bestellt (wenn auch großenteils vom Bund bezahlt). Rechtsgrundlage sind das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) und das Regionalisierungsgesetz (RegG). Darin findet sich dann auch eine Definition von Nahverkehr:
Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.
Dass die DB-Nahverkehrszüge rot (und die der meisten Konkurrentinnen bunt) sind, hat also primär nichts mit der Sache zu tun. Natürlich gibt es auch eine Menge Nahverkehrslinien, die einen deutlich weiter als 50 Kilometer befördern und länger als eine Stunde herumkutschieren können; daher die Formulierung »im Zweifel«, die wohl realiter erst dann relevant wird, wenn wirklich einmal ein Eisenbahnunternehmen versucht, den bestellten Nahverkehr von einer Strecke wegzuklagen um dort eigenwirtschaftlichen Fernverkehr anzubieten.
Denn das ist es, was den Fernverkehr ausmacht, dass auf eigene Rechnung und eigenes Risiko gefahren wird. Es gibt allerdings ordnungspolitisch fragwürdige Grenzfälle, wo zum Beispiel ein öffentlicher Zuschuss an die DB gezahlt wird, um eine ICE-Linie zu erhalten. Fernverkehrszüge werden zwar ganz überwiegend von der DB gefahren und sind deswegen wirklich meistens weiß, aber es gibt ein ganz klein wenig Konkurrenz, vor allem den InterConnex Leipzig-Berlin-Rostock-Warnemünde und den Berlin Night Express Berlin-Malmö.

Eine weitere relevante Abgrenzung, wo wieder die 50 Kilometer ins Spiel kommen, hat mit der Steuer zu tun: Auf
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr mit Ausnahme der Bergbahnen, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
a) innerhalb einer Gemeinde oder
b) wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als fünfzig Kilometer beträgt
wird laut Umsatzsteuergesetz nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % erhoben. Es ist ausdrücklich nicht die Rede von Nahverkehr oder irgendwelchen Zuständigkeiten, das heißt also, dass steuerrechtlich auch eine Fahrt im Fernverkehr Nahverkehr sein kann und umgekehrt. Ob es möglich ist, irgendwo in Deutschland eine Fahrkarte für eine Strecke irgend eines Verkehrsmittels zu kaufen, die länger ist als 50 Kilometer, aber vollständig innerhalb einer Gemeinde liegt und daher als Nahverkehr besteuert wird, weiß ich nicht.

In der Statistik wird, soweit ich weiß, einfach alles unter 50 Kilometern als Nah- und alles darüber als Fernverkehr gerechnet.

Bild: Troy Mason bei Flickr (Details und Lizenz)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schon innerhalb Berlins kann man mit der Bahn über 50 km zurücklegen(bspw. die direkte Ost-West-Verbindung S Wilhelmshagen - R Albrechtshof). Der Tarif Berlin ABC im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg geht dann noch beidseitig je 15 km über die Stadtgrenze hinaus.

mawa hat gesagt…

Das ist dann mal eine gute Frage, ob das Land Berlin in dieser Hinsicht steuerrechtlich als eine Gemeinde gilt.