Donnerstag, 11. Oktober 2007

31: Anziehung und Abstoßung

In München wird nicht erst seit gestern darum geschachtert, wie denn der Transrapid, den sich der eine oder andere da wünscht, finanziert werden soll. Ich will gar nicht über Für und Wider dieses Bauprojekts und die ganzen komplizierten Modalitäten sprechen, sondern dem Thema dieses Blogs gemäß über das nicht ganz einfache Verhältnis zwischen Transrapid und Eisenbahn.

Als die konkrete, staatliche geförderte Forschung an Magnetschwebebahnen in Deutschland begann, fuhren seit etwa fünf Jahren planmäßige Züge in Japan mit 200 km/h, aber das war schon ziemlich das Ende der Fahnenstange. Es war nicht klar, ob deutlich höhere Geschwindigkeiten auf Schienen überhaupt mit verhältnismäßigem Aufwand beherrschbar sind, das System schien ganz oder nahezu ausgereizt.
Insofern war es nicht nur naheliegend, sondern fast zwingend, sich für den schnellen Landverkehr nach technisch ganz anderen Lösungen umzusehen. Man kam im Laufe der Arbeiten dann auf eine Magnetschwebebahn, die von computergesteuerten Magneten schwebend über einem Fahrbalken gehalten und von einem in diesem Balken installierten Linearmotor vorangetrieben wird. Man könnte mit einem solchen Zug prinzipiell senkrecht die Wand hochfahren oder dreifache Schallgeschwindigkeit erreichen; das Prinzip ist geradezu berauschend.

Nur veränderte sich in der Zwischenzeit auch die technische Landschaft bei der Eisenbahn. Die sogenannte Lauftechnik, das heißt, Räder, Achswellen, Drehgestelle, Federungen und so weiter, stellte sich als immens ausbaufähig heraus. Heutzutage beherrscht man Geschwindigkeiten jenseits der 500 km/h auf der Schiene, was die immer neuen Rekorde eindrucksvoll belegen. Zuletzt tastete sich der TGV so weit vor, dass 600 km/h in greifbarer Reichweite liegen. Das Geschwindigkeitsargument kann die Magnetschwebebahn nicht mehr absolut vorbringen.
Natürlich gibt es auch anderswo Unterschiede. Das Beschleunigungsvermögen von Eisenbahnen ist durch die Reibung zwischen Rad und Schiene begrenzt. Der Lärm ist ein ganz anderer, der Fahrkomfort steht auch zur Debatte; und es bleibt über allem die Frage, wie es mit den einmaligen und den laufenden Kosten aussieht.
Die Entwicklung der modernen elektrischen Antriebstechnik mit computergesteuerten, von Leistungselektronik gespeisten Drehstrommotoren hat dabei ganz erstaunliche Beschleunigungswerte auch unter widrigen Bedingungen ermöglicht, der Fahrkomfort profitiert von modernen Luftfederungen und einer hochgezüchteten Gleisbau- und -unterhaltungstechnik, die eine buchstäblich millimetergenaue Lage der Gleise sicherstellt. Der Lärm bleibt ein Problem, allerdings stellen die rumpeligen alten Güterzüge da jeden Hochgeschwindigkeitszug spielend in den Schatten. Was die Kosten angeht, gibt es keine überwältigenden Hinweise darauf, dass der Streckenbau oder der Energieverbrauch bei Magnetschwebebahnen nachhaltig günstiger ausfallen dürften.
Bleibt das Netzargument: Nahezu jede Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke verbessert das bestehende Netz, weil sie auch für Züge, die nicht ihren ganzen Weg auf ihr zurücklegen, die Fahrzeit verkürzt, und Trassen für Güterzüge freimacht, sofern sie nicht selbst nachts für den Güterverkehr genutzt werden kann. Der Transrapid muss, wenn er irgendwo gebaut wird, für diese Punkt-zu-Punkt-Verbindung überwältigende Vorteile zeigen, die unter anderem groß genug sind, um den Komfortverlust durch ein oder zwei zusätzliche Umstiege auszugleichen. Mit dem Aufholen der Eisenbahn in allen Bereichen ist es aber schwierig geworden, diese revolutionären Vorteile nachzuweisen. Nicht umsonst ist die Magnetschwebebahn nach ernsthaften Untersuchungen und Planungen weder für die Strecke Hamburg-Berlin noch für die Strecke Frankfurt-Köln realisiert worden.

Bild: Hugh Sanders (hues06) bei Flickr (Details und Lizenz)

1 Kommentar:

ECS hat gesagt…

Und wo ist mein wöchentliches Stück Lesestoff?