162: Kopfsache
Wer derzeit aus Richtung Koblenz (also von der linken Rheinstrecke oder der Nahestrecke, die in Gau-Algesheim in diese einmündet) oder aus Richtung Wiesbaden in den Mainzer Hauptbahnhof einfährt - also durch dessen nördliches Ende, auf eisenbahnerisch den Nordkopf -, sieht, dass dort zwischen den Gleisen Rampen und Pfeiler betoniert werden, deren unmittelbarer Sinn Laien nicht sofort erschließlich ist. Was dort entsteht, ist ein so genanntes Überwerfungsbauwerk, im Straßenbau auch als Flyover bezeichnet, wobei mir dieser Ausdruck im deutschsprachigen Bahnwesen als eher ungebräuchlich erscheint. Es handelt sich um einen in diesem Falle 680 Meter lange und mit allen Umbaumaßnahmen zirka 48 Millionen Euro teuren Brückenzug, mit dem Züge aus oder in Richtung Wiesbaden kreuzungsfrei über die durch Mainz verlaufende linke Rheinstrecke hinübergeführt werden - sozusagen hinüber geworfen, daher auch der Name.
Im Straßenverkehr sind Überwerfungen gang und gäbe. Jeder kreuzungsfreie Straßenknoten, sei es ein Autobahnkreuz oder auch nur eine für stärkere Belastungen konzipierte Auffahrt auf eine Bundesstraße, braucht mindestens eine davon. Da Autos wesentlich engere Kurven und stärkere Steigungen bewältigen können als Eisenbahnfahrzeuge, sind diese allerdings meistens nicht Hunderte von Metern lang und in spitzem Winkel über die darunter verlaufenden Verkehrswege geführt, sondern viel kürzer und gerne ganz oder nahezu rechtwinklig. Bei der Eisenbahn sind Überwerfungen riesige Konstruktionen und werden auch nicht so häufig gebraucht: der Zugverkehr besteht schließlich nicht aus einem ständigen Strom unzähliger autonomer Einheiten, sondern aus viel weniger großen Einheiten, die dafür fahrplanmäßig koordiniert sind. Selbst bei hohen Verkehrsbelastungen kann man daher damit leben, Züge durch Serien von Weichen in der Ebene an anderen vorbeizuführen. Dies blockiert selbstverständlich Fahrmöglichkeiten, die sonst da wären; und bei Unvorhersehbarkeiten im Betrieb müssen wirklich Züge eigens anhalten, um einen anderen kreuzen zu lassen. Dies wird durch die Überwerfung vermieden, und somit kann der Bau einer Brücke wie derzeit am Mainzer Nordkopf die Kapazität eines Knotens erheblich steigern.
Je höher die Geschwindigkeiten durchfahrender Züge sind, desto wichtiger werden Überwerfungen. So fädelt beispielsweise die Kurve, die den Fernverkehr aus Richtung Frankfurt in Richtung Würzburg kurz hinter Lohr mit 200 km/h nach Süden führt, beidseitig kreuzungsfrei (also mit einer Überwerfung) in die Schnellstrecke ein. Aus vergleichbaren Gründen der Beschleunigung des Durchgangsverkehrs (hier Richtung Wolfsburg und Berlin) gibt es Überwerfungen am Ostkopf des Bahnhofs Lehrte, und Bürgerinitiativen fordern derzeit den Bau einer Überwerfung in Buggingen, wo die neue Schnellstrecke Karlsruhe-Basel sich an die Altstrecke anschmiegen soll, um sicherzustellen, dass der zu erwartende starke Güterzugverkehr trotz des Schnellverkehrs auf die neuen Gleise geführt werden kann, die durch den Katzenbergtunnel (siehe Prellblog 34) verlaufen, statt durch die Ortslagen zu donnern.
Aber auch ohne hohe Geschwindigkeiten können enge Takte kreuzungsfreie Ein- und Ausfädelungen nötig machen; bei der Berliner S-Bahn zum Beispiel gibt es eine ganze Reihe davon.
Bild: Varun Shiv Kapur bei Flickr (Details und Lizenz)
Im Straßenverkehr sind Überwerfungen gang und gäbe. Jeder kreuzungsfreie Straßenknoten, sei es ein Autobahnkreuz oder auch nur eine für stärkere Belastungen konzipierte Auffahrt auf eine Bundesstraße, braucht mindestens eine davon. Da Autos wesentlich engere Kurven und stärkere Steigungen bewältigen können als Eisenbahnfahrzeuge, sind diese allerdings meistens nicht Hunderte von Metern lang und in spitzem Winkel über die darunter verlaufenden Verkehrswege geführt, sondern viel kürzer und gerne ganz oder nahezu rechtwinklig. Bei der Eisenbahn sind Überwerfungen riesige Konstruktionen und werden auch nicht so häufig gebraucht: der Zugverkehr besteht schließlich nicht aus einem ständigen Strom unzähliger autonomer Einheiten, sondern aus viel weniger großen Einheiten, die dafür fahrplanmäßig koordiniert sind. Selbst bei hohen Verkehrsbelastungen kann man daher damit leben, Züge durch Serien von Weichen in der Ebene an anderen vorbeizuführen. Dies blockiert selbstverständlich Fahrmöglichkeiten, die sonst da wären; und bei Unvorhersehbarkeiten im Betrieb müssen wirklich Züge eigens anhalten, um einen anderen kreuzen zu lassen. Dies wird durch die Überwerfung vermieden, und somit kann der Bau einer Brücke wie derzeit am Mainzer Nordkopf die Kapazität eines Knotens erheblich steigern.
Je höher die Geschwindigkeiten durchfahrender Züge sind, desto wichtiger werden Überwerfungen. So fädelt beispielsweise die Kurve, die den Fernverkehr aus Richtung Frankfurt in Richtung Würzburg kurz hinter Lohr mit 200 km/h nach Süden führt, beidseitig kreuzungsfrei (also mit einer Überwerfung) in die Schnellstrecke ein. Aus vergleichbaren Gründen der Beschleunigung des Durchgangsverkehrs (hier Richtung Wolfsburg und Berlin) gibt es Überwerfungen am Ostkopf des Bahnhofs Lehrte, und Bürgerinitiativen fordern derzeit den Bau einer Überwerfung in Buggingen, wo die neue Schnellstrecke Karlsruhe-Basel sich an die Altstrecke anschmiegen soll, um sicherzustellen, dass der zu erwartende starke Güterzugverkehr trotz des Schnellverkehrs auf die neuen Gleise geführt werden kann, die durch den Katzenbergtunnel (siehe Prellblog 34) verlaufen, statt durch die Ortslagen zu donnern.
Aber auch ohne hohe Geschwindigkeiten können enge Takte kreuzungsfreie Ein- und Ausfädelungen nötig machen; bei der Berliner S-Bahn zum Beispiel gibt es eine ganze Reihe davon.
Bild: Varun Shiv Kapur bei Flickr (Details und Lizenz)
1 Kommentar:
Es gibt neben hohen Geschwindigkeiten und dichter Befahrung einer Strecke einen dritten Grund für Überwerfungen: viele Gleise. Ein Beispiel ist östlich von München, zwischen Trudering und Geltendorf. Die Bahnstrecke nach Rosenheim ist hier viergleisig, wobei die beiden nördlichen Gleise für die S-Bahn sind. Damit Güterzüge vom Münchner Nordring auf das Fernverkehrsgleis Richtung Salzburg kommen, müssten sie drei Gleise queren (S-Bahn und das Fernverkehrsgleis nach München), darum gibt es eine Überwerfung, die diese drei Gleise über die Güterzuggleise führt.
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