163: Ewigkeitskosten
Betritt man die Eingangshalle des Oberhausener Hauptbahnhofs, kann man - je nach Affinität zu ihrem Stil und zu Architektur überhaupt - durchaus in Begeisterung ausbrechen. Der quaderförmige, neusachliche Raum von 1930-1934, Ende des Jahrhunderts behutsam saniert, ist durchaus einen Besuch Wert, selbst wenn man nicht vorhat, Zug zu fahren, den Museumsbahnsteig (siehe Bild) zu besichtigen oder zur Zentrale des LVR-Industriemuseums durchzugehen.
Ähnliches gilt natürlich für Hunderte von Bahnhofsgebäuden in Deutschland, und das sind nicht alle Baudenkmäler im Eisenbahnsystem - hinzu kommen Brücken, Tunnelportale, Stellwerksgebäude, Bahnsteigüberdachungen, Lokschuppen, Signalbrücken, Wassertürme und vieles mehr. Die wenigsten davon sind bedingungslos und ohne jede Modifikation zu erhalten, aber die meisten davon haben eine Substanz, die es zu bewahren und zu schützen gilt, und können daher weder ganz noch in Teilen saniert oder ersetzt werden, ohne auf ihren Denkmalcharakter Rücksicht zu nehmen.
Andere Verkehrssysteme können nicht mit vergleichbaren Pfunden wuchern. Die Anzahl denkmalgeschützter Tankstellen, Rasthöfe und Waschanlagen ist relativ dazu winzig, und Straßenbrücken mit baulichem und kulturgeschichtlichen Eigenwert sind außerhalb von Ballungsräumen selten. Nicht zuletzt haben Fernstraßen alleine schon aus technischen Gründen weniger Brücken und sonstige Ingenieurbauten aufzuweisen als Fernbahnen (siehe z.B. Prellblog 144). Der Flugverkehr ist jung und konzentriert sich auf wenige Punkte, die Kanalschifffahrt hat nur wenige Schiffshebewerke, Schleusen und Brücken mit Denkmalwert (diese sind dafür umso spektakulärer - aber das steht auf einem anderen Blatt).
Natürlich ist es großartig, wenn schnöde Infrastruktur eine Schönheit aufweist, die sie über die reine Benutzbarkeit erhebt. Die Kosten dafür sind allerdings beträchtlich. Die großen Sanierungen der Hallendächer von Bahnhöfen aus der Hochzeit des klassischen Eisenbaus sind zum Beispiel geradezu furchterregend teuer - allein im Rhein-Main-Gebiet waren in den letzten Jahren Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt dran, meines Wissens mit Kosten von insgesamt knapp einer Viertelmilliarde Euro. Die vor vierzig, fünfzig Jahren noch diskutable und mancherorts auch durchgeführte Lösung, eine historische Hallenkonstruktion einfach abzutragen und durch eine neue, ihr nicht einmal annähernd stilistisch nachempfundene, zu ersetzen, ist heute glücklicherweise nicht mehr machbar (die Halle des Mainzer Hauptbahnhofs, die noch 2003 vollständig abgerissen wurde, stammte aus 1939 und war wohl nicht die allerattraktivste). Es geht neben der Komplettsanierung riesiger Konstruktionen aber auch um Kleinigkeiten. Die kannelierten, formal leicht an antike Säulen angelehnten Eisenstützen von Bahnsteigüberdachungen und Überführungen aus dem neunzehnten Jahrhundert beispielsweise müssen qua Denkmalschutz zumindest exemplarisch erhalten bleiben, auch wenn sich die DB die damit verbundenen Kosten gerne hier und dort sparen würde (so geschehen unter anderem in Mainz Römisches Theater und Gießen sowie demnächst bei Brückenzügen in Berlin).
All das kostet Geld - als sei der Betrieb der Eisenbahn nicht ohnehin schon teuer genug. Die Sonderausgaben, um Schönheit und Denkmalcharakter wertvoller Bahnanlagen zu erhalten, werden auf ewig anfallen, ganz wie die berühmten »Ewigkeitskosten« des Steinkohlebergbaus, zu denen beispielsweise der Betrieb von Pumpwerken gehört, die das Abwasser gesunkener Stadtteile in die Flüsse hinauffördern. Wie auch beim Bergbau sollte, wie ich finde, eine Finanzierung dieser Kosten ohne dauernden Rückgriff auf die Staatskasse angestrebt werden. Die lange Tradition der Eisenbahn und das großartige kulturelle Erbe, das sich mit ihr verbindet, ist ein weiteres Argument dafür, dass Bahnen als modernes, ertragbringendes und sich beständig erneuerndes Verkehrsmittel betrieben werden sollten und nicht als reines Freilichtmuseum.
Bild: Marieke Kuijjer (»mararie) bei Flickr (Details und Lizenz)
Ähnliches gilt natürlich für Hunderte von Bahnhofsgebäuden in Deutschland, und das sind nicht alle Baudenkmäler im Eisenbahnsystem - hinzu kommen Brücken, Tunnelportale, Stellwerksgebäude, Bahnsteigüberdachungen, Lokschuppen, Signalbrücken, Wassertürme und vieles mehr. Die wenigsten davon sind bedingungslos und ohne jede Modifikation zu erhalten, aber die meisten davon haben eine Substanz, die es zu bewahren und zu schützen gilt, und können daher weder ganz noch in Teilen saniert oder ersetzt werden, ohne auf ihren Denkmalcharakter Rücksicht zu nehmen.
Andere Verkehrssysteme können nicht mit vergleichbaren Pfunden wuchern. Die Anzahl denkmalgeschützter Tankstellen, Rasthöfe und Waschanlagen ist relativ dazu winzig, und Straßenbrücken mit baulichem und kulturgeschichtlichen Eigenwert sind außerhalb von Ballungsräumen selten. Nicht zuletzt haben Fernstraßen alleine schon aus technischen Gründen weniger Brücken und sonstige Ingenieurbauten aufzuweisen als Fernbahnen (siehe z.B. Prellblog 144). Der Flugverkehr ist jung und konzentriert sich auf wenige Punkte, die Kanalschifffahrt hat nur wenige Schiffshebewerke, Schleusen und Brücken mit Denkmalwert (diese sind dafür umso spektakulärer - aber das steht auf einem anderen Blatt).
Natürlich ist es großartig, wenn schnöde Infrastruktur eine Schönheit aufweist, die sie über die reine Benutzbarkeit erhebt. Die Kosten dafür sind allerdings beträchtlich. Die großen Sanierungen der Hallendächer von Bahnhöfen aus der Hochzeit des klassischen Eisenbaus sind zum Beispiel geradezu furchterregend teuer - allein im Rhein-Main-Gebiet waren in den letzten Jahren Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt dran, meines Wissens mit Kosten von insgesamt knapp einer Viertelmilliarde Euro. Die vor vierzig, fünfzig Jahren noch diskutable und mancherorts auch durchgeführte Lösung, eine historische Hallenkonstruktion einfach abzutragen und durch eine neue, ihr nicht einmal annähernd stilistisch nachempfundene, zu ersetzen, ist heute glücklicherweise nicht mehr machbar (die Halle des Mainzer Hauptbahnhofs, die noch 2003 vollständig abgerissen wurde, stammte aus 1939 und war wohl nicht die allerattraktivste). Es geht neben der Komplettsanierung riesiger Konstruktionen aber auch um Kleinigkeiten. Die kannelierten, formal leicht an antike Säulen angelehnten Eisenstützen von Bahnsteigüberdachungen und Überführungen aus dem neunzehnten Jahrhundert beispielsweise müssen qua Denkmalschutz zumindest exemplarisch erhalten bleiben, auch wenn sich die DB die damit verbundenen Kosten gerne hier und dort sparen würde (so geschehen unter anderem in Mainz Römisches Theater und Gießen sowie demnächst bei Brückenzügen in Berlin).
All das kostet Geld - als sei der Betrieb der Eisenbahn nicht ohnehin schon teuer genug. Die Sonderausgaben, um Schönheit und Denkmalcharakter wertvoller Bahnanlagen zu erhalten, werden auf ewig anfallen, ganz wie die berühmten »Ewigkeitskosten« des Steinkohlebergbaus, zu denen beispielsweise der Betrieb von Pumpwerken gehört, die das Abwasser gesunkener Stadtteile in die Flüsse hinauffördern. Wie auch beim Bergbau sollte, wie ich finde, eine Finanzierung dieser Kosten ohne dauernden Rückgriff auf die Staatskasse angestrebt werden. Die lange Tradition der Eisenbahn und das großartige kulturelle Erbe, das sich mit ihr verbindet, ist ein weiteres Argument dafür, dass Bahnen als modernes, ertragbringendes und sich beständig erneuerndes Verkehrsmittel betrieben werden sollten und nicht als reines Freilichtmuseum.
Bild: Marieke Kuijjer (»mararie) bei Flickr (Details und Lizenz)
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