Montag, 5. Oktober 2009

110: Laufend Nummern

In einem anonymen Kommentar zum Prellblog 107 wurde ich gefragt:
Wieso erwähnst du nicht, dass [elektronische Stellwerke] vollautomatisch funktionieren?
Dies ist der in meiner Replik angekündigte ausführliche Beitrag zum Thema. Es stimmt, elektronische Stellwerke, die heute der Goldstandard der Steuerung von Weichen, Signalen und anderen Stellelementen sind, funktionieren im Normalbetrieb tatsächlich »vollautomatisch«, aber das ist keine neue Erfindung. Es fragt sich auch, was »vollautomatisch« bei einem Stellwerk überhaupt heißen kann.
Schon bei den guten alten Relaisstellwerken, deren Logik in Form von Kilometern bunter Kabel und regaleweise elektromechanischen Bauteilen realisiert war, passierte ziemlich viel automatisch - durch Niederdrücken (in Ostdeutschland häufig auch: durch Hochziehen) zweier Druckknöpfe für Start- und Zielpunkt einer Fahrstraße wurden selbsttätig alle Weichen dafür gestellt. Früher musste jede Weiche einzeln mit Hebeln oder Drehknöpfen gestellt werden, wobei spezielle Blockiermechanismen dafür sorgten, dass dies zur beabsichtigten Fahrstraße passte.

Was der namenlose Kommentator jedoch eher meint, wenn er »vollautomatisch« schreibt, ist der so genannte Selbststellbetrieb beziehungsweise die Zuglenkung. Im einen Fall ist ein Bahnhof so konfiguriert, dass bei Einfahrt eines Zuges in ein bestimmtes Gleis automatisch die Ausfahrt in ein bestimmtes anderes Gleis gestellt wird. Ein Stellwerk muss so oder so über Sensoren verfügen, um zu erkennen, ob sich in bestimmten Gleisabschnitten Züge befinden oder nicht; das wird über verschiedene elektrische Systeme erledigt, die letztlich alle auf die Präsenz oder das Passieren von Achsen reagieren und denen das Prellblog irgendwann auch noch eine Folge widmen wird. Diese Sensoren können nun auch direkt Fahrstraßeneinstellungen auslösen.
Im anderen Fall wird nicht nur erkannt, dass da überhaupt ein Zug ist, sondern auch, um welchen Zug es sich handelt, und dieser entsprechend auf einem bestimmten Weg geleitet. Da es handelsüblicherweise keine Sensoren gibt, die in ein Stellwerk Informationen über die Identität eines Zuges einspeisen können, wird dazu üblicherweise eine Kennziffer in die Stellwerkslogik eingegeben, wenn der Zug in den Stellbereich einfährt, in der verschlüsselt ist, wo der Zug hin soll.
Im besten Falle ist diese Kennziffer einfach die Zugnummer. Und damit hätten wir auch gleich einen der Gründe dafür, warum Züge diese bis zu fünfstelligen Nummern tragen. Natürlich dient die Nummer auch bei Logbucheintragungen, im Funkverkehr und für die immer wieder beliebte Ansage »Triebfahrzeugführer 47110 bitte Türen freigeben!« zur Identifizierung des Zuges.
Die innere Logik der Zugnummer ist recht komplex; bestimmte Nummernbereiche sind bestimmten Zugarten beziehungsweise bestimmten DB-Tochterunternehmen (oder externen Unternehmen) vorbehalten, manchmal sind grobe geographische Verläufe ähnlich codiert wie in den Nummern der Bundesautobahnen, und Zug und Gegenzug unterscheiden sich durch gerade beziehungsweise ungerade Endziffer. In besseren elektrischen und in praktisch allen elektronischen Stellwerken werden diese Nummern auch auf der Anzeigetafel oder am Bildschirm dargestellt und hüpfen jeweils, wenn gemeldet wird, dass ein Zug von einem Abschnitt in einen anderen fährt, weiter.

Bild: Kostas Krallis (»SV1XV«) bei Wikimedia Commons (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hätte nicht gedacht das in Deutschland immer noch die Zuglenkung im Betrieb ist. In der Schweiz läuft fast alles mit Siemens Iltis http://www.transportation.siemens.com/ts/de/pub/products/ra/products/control_tec/iltis_de.htm
Stellwerkpersonal braucht es nur noch für den Störfall.

mawa hat gesagt…

Ich weiß nicht genau, was du mir mit diesem Kommentar sagen möchtest, der strukturell so aufgebaut ist wie "Hätte nicht gedacht, dass in Deutschland immer noch der Boden feucht gewischt wird, in der Schweiz läuft fast alles mit Vileda".