94: Die Bahn und die Krise
Um uns herum bröckelt die Weltwirtschaft, und es ist nicht Sache dieses Blogs, das über Gebühr zu thematisieren. Was ihm aber gebührt, ist, zu besprechen, welche Auswirkungen »die Krise« auf die Eisenbahn hat.
Einiges ist sofort ziemlich klar erkennbar: Das Scheitern des Deutsche-Bahn-Börsengangs (Prellblog 72) ist durch die Krise verursacht oder zumindest beflügelt worden. Das staatsfreundliche Klima, das sich angesichts der Rettungsaktionen, Schutzschirme, Konjunkturpakete und dräuenden Enteignungen eingestellt hat, trägt seinerseits zumindest dazu bei, dass das Thema Börse so schnell nicht mehr auf die Tagesordnung kommen wird. Der Abgang von Hartmut Mehdorn (Prellblog 90) passt ins Bild, wenn er auch nicht unmittelbar durch den einstweiligen Aufschub der Börsenambitionen bedingt ist. (Mit den verschiedenen »Skandalen«, die durch den Blätterwald gerauscht sind, wird sich das Prellblog erst befassen, wenn einigermaßen abschließend geklärt ist, was da gelaufen ist.)
Ebenfalls klar ist, dass ein Einbruch der Realwirtschaft auch einen Einbruch der Güterverkehrsmengen bedeutet. Das heißt Kurzarbeit bei Eisenbahnunternehmen (von den nichtbundeseigenen Bahnen hat man diesbezüglich allerdings wenig gehört), aber auch, wie heute vernommen, dass Ausschreibungen für tausende von Güterwagen wieder zurückgenommen werden.
Andererseits scheint es der Bahntechnik und dem Fahrzeugbau bei aller Krise gar nicht so schlecht zu gehen. In den Golfstaaten wird massiv investiert, Hitachi hat sich aus einer Ausschreibung in Großbritannien zurückgezogen, weil die Produktionskapazitäten dafür nicht ausreichen würden, DB International plant eine Kohlebahn in der Mongolei, die Schweiz beschafft die größte Fahrzeugserie aller Zeiten, die Internationale Ausstellung Fahrwegtechnik hat mal wieder einen Besucherrekord eingefahren, Paris baut Straßenbahnstrecke, Toronto kauf Straßenbahnfahrzeuge, und so weiter und so fort.
Im Personenverkehr scheint die Krise denn auch eher beflügelnd zu wirken - optimistisch gesagt hilft ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr auch Personen mit wegbrechendem Einkommen, mobil zu bleiben; zynisch gesagt treibt Armut die Leute in den Nahverkehr. Wohl dem, der wie die meisten europäischen Länder eine funktionierende Finanzierung, ordentliche Kostendeckung und auch in »Friedenszeiten« attraktive Verkehrsmittel hat! In den USA hat der Ansturm auf den sonst eher kümmerlich blühenden öffentlichen Verkehr die Defizite der Träger in teilweise existenzbedrohende Höhen gejagt, so dass diese jetzt nach Bundesbeihilfen betteln müssen, um nicht an ihrem Erfolg zu Grunde zu gehen. So etwas hört man hierzulande dann doch eher nicht.
Nicht zuletzt wittern Lobbys, von denen man schon länger nichts mehr gehört hat, neukeynesianische Morgenluft. Die »Initiative Deutschland-Takt«, die im Wesentlichen von Nahverkehrs-Aufgabenträgern, Fahrgastverbänden und DB-Konkurrenz getragen wird, wendet sich wieder einmal mit der Forderung nach einem vollintegrierten Taktfahrplan für ganz Deutschland, also dem Stundentakt von überall nach überall nach Schweizer Vorbild, an die Öffentlichkeit. Nach wie vor scheint sich mir hinter diesem eigentlich noblen Anliegen die Forderung nach einer staatlichen Übernahme des unternehmerischen Risikos auch im Fernverkehr zu verstecken. Ich finde jedoch, dass auch in Krisenzeiten die Wettbewerber der DB nicht versuchen sollten, Hand in Hand mit dem Staat jeglichen eigenfinanzierten Fernverkehr abzuschaffen, sondern sie sich eher verbünden, um eine solide Konkurrenz auf die Beine zu stellen, wovon auch fünfzehn Jahre nach der Bahnreform immer noch nichts zu sehen ist.
Bild: Laura »That Canadian Grrl« bei Flickr (Details und Lizenz)
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