69: Projekt Eiertanz 7: Limbo
Seit über einem halben Jahr, nämlich seit dem Prellblog 55 nicht mehr, hat es keine Folge von Projekt Eiertanz, der Serie zum DB-Börsengang, mehr gegeben. Einiges, was damals absehbar war, hat sich mittlerweile verdichtet.
Die »Newco«, von der die Rede war, heißt Deutsche Bahn Mobility Logistics AG (DB ML AG) und umfasst, wie der Name schon sagt, zwei der drei Unternehmensteile, also alles außer den Netzen. Diese verbleiben direkt bei der Muttergesellschaft, der DB Holding. Beide Unternehmen sind in Personalunion durch den Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn verbunden. Derzeit läuft die Roadshow für einen durch ein Konsortium von dreizehn internationalen Banken vorbereiteten Börsengang von 24,9 %; erster Handelstag soll der 27. Oktober sein.
Oder eben nicht. Die frisch ausgebrochene Weltwirtschaftskrise hat die geplanten vier bis (optimistischsterweise) acht Milliarden Euro Erlös stark in Frage gestellt, und so ist der Börsengang derzeit offiziell auf unbestimmte Zeit verschoben. Von Anfang Dezember über nächstes Frühjahr bis in absehbarer Zeit gar nicht mehr sind verschiedene neue Termine im Gespräch.
Die Börsengangsgegner frohlocken natürlich. Der erhoffte Volksaufstand gegen die »teilweise Kapitalprivatisierung« ist schließlich bisher ausgeblieben. Gegen Stuttgart 21 (vgl. Prellblog 19) zum Beispiel, auch ein Eisenbahnthema, gehen, obwohl da eigentlich nichts mehr zu machen ist, Tausende auf die Straße, aber selbst im linken Marburg sind nach meiner eigener Erfahrung Kundgebungen gegen den DB-Börsengang eher müde Veranstaltungen. Im Zusammenhang mit der Neuentdeckung des Staates durch die Wirtschaftswelt, anstehenden Bundestagswahlen und gefühltem »Linksruck« lässt sich aber vielleicht doch mehr mobilisieren, oder aber das Projekt scheitert gar ohne größere Proteste; wer weiß. Ich sehe, obwohl selber nicht gerade ein Fan des Börsengangs, die Agenda der Staatsbahnverfechter, deren planwirtschaftliche Luftschlösser ich jeden Tag im Usenet bewundern darf, sehr skeptisch, und habe ein sorgenvolles Auge auf das alles.
Was man immerhin als Erfolge verbuchen kann: Die Privatisierung mit Netz ist endgültig vom Tisch, genauso aber auch merkwürdige Ideen wie den Verbleib der DB Regio beim Bund bei gleichzeitiger Privatisierung von Fern- und Güterverkehr.
Gleichzeitig werfen ganz andere Aspekte der Bahnreform ihre Schatten voraus: Netzbeirat, Allianz pro Schiene und ähnliche Organe schreien lauthals nach mehr Kapazität im Netz und einem »Umdenken« beim Ausbau, der angeblich falsch und zu langsam und überhaupt nicht gut gemacht wird. Der Verkehrskollaps steht wieder einmal unmittelbar bevor (ich halte die Rede vom Verkehrskollaps übrigens für von Grund auf unseriös; mehr dazu vielleicht ein andermal). Es sind für die kommende Fahrplanperiode mehr als 49.000 Trassen bei DB Netz gemeldet, mehr als je zuvor, und die Beobachtung, dass das Wachstum der privaten Güterbahnen in den kommenden zwölf Monaten nur durch einen ernsthaften Angriff auf den Straßenverkehr zu halten bleibt, haben bereits andere gemacht. Weiterhin also interessante Zeiten, und Projekt Eiertanz wird bestimmt noch eine achte Folge erleben.
Bild: Adolph Menzel (1847), Alte Nationalgalerie Berlin (eigenes Foto)
1 Kommentar:
Weißt du noch, die lustige Veranstaltung im Bahnhof in Marburg mit dem Zettel-zerreißen? War doch zu schön.
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