Freitag, 21. September 2007

28: Projekt Eiertanz 1: Gründe

»Projekt Eiertanz« ist der Versuch, das Thema des Börsengangs der Deutschen Bahn AG vorsichtig, und soweit möglich neutral, anzugehen. Dazu möchte ich in dieser ersten Folge zunächst behandeln, was der Ausgangszustand ist, weshalb der Börsengang überhaupt nötig sein soll und welche populären Missverständnisse sich bereits bei der Beschreibung dieser Situation ergeben.

Seit der Bahnreform 1994 sind die Eisenbahnen des Bundes zusammengefasst unter dem Dach der Deutschen Bahn, einer Holding-Aktiengesellschaft. Zur DB gehören unzählige Tochterunternehmen, darunter diverse Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Den DB-EIU, darunter vor allem die DB Netz AG, gehört fast das gesamte deutsche Eisenbahnnetz. Die DB-EVU beherrschen den Markt im eigenwirtschaftlichen Personenfernverkehr, sind der größte Anbieter von Schienengüterverkehr und leisten den Löwenanteil des Schienenpersonennahverkehrs in öffentlichem Auftrag. In den letzten beiden Feldern bricht der Marktanteil der DB im Wettbewerb allerdings seit einiger Zeit ein.
Zum DB-Konzern gehören aber außerdem auch verhältnismäßig erfolgreiche Firmen, die sich nicht direkt mit Schienenverkehr befassen - dazu gehören Busunternehmen, eine international agierende Land-, Luft- und Seespedition (Schenker), aber auch eine ganze Reihe von Dienstleistungssparten, die auch konzernextern agieren. So verwaltet die DB Fuhrparks, betreibt Kraftwerke, bietet Fortbildungen und IT-Beratung an oder plant Bauprojekte für Dritte. Und natürlich fahren auf dem Netz auch die Züge der Konkurrenzbahnen.
Nun befinden sich einige dieser Geschäftsfelder in einem nachhaltigen Aufschwung. Die globale Logistik sowieso, aber auch der Schienengüterverkehr in Europa zieht derzeit so stark an, dass zum Beispiel gar nicht so viele neue Güterwagen eingekauft werden können, wie man eigentlich bräuchte. Der lange stagnierende Fernverkehr hat derzeit auch ein bisschen Konjunktur, unter anderem deswegen, weil seit 2002 in schneller Folge eine ganze Reihe von Infrastruktur-Leuchtturmprojekten ans Netz gegangen sind, die nicht nur für gute Publicity, sondern auch für realen Reisendennutzen gesorgt haben. Und da der DB ja das Netz gehört, profitiert sie sogar von Verkehren, die ihre Konkurrenten neu generieren. Das ist unfein, aber der derzeitige Status quo.
Nun expandiert das Geschäft also, die DB ist mittlerweile, obwohl ihr immer mehr Wettbewerber mit ihren bunten Containerzügen auf den Füßen herumfahren, ein dominanter Akteur im europäischen Bahn- und im weltweiten Logistikgeschäft. Außerdem will der komfortabel ausgestattete Nahverkehrsbereich gegen die Konkurrenten verteidigt werden, die unablässig daran nagen, und wo mit den kommenden Ausschreibungen richtig große Brocken (zum Beispiel die S-Bahn Stuttgart) wegfallen könnten. Will man da seine Potenziale nutzen, braucht man Kapital, und die verschiedenen Finanzierungsinstrumente, die dem Konzern in seiner gegenwärtigen Form als hundertprozentiger Staatsbesitz zur Verfügung stehen, sprich: Schuldenmachen in unterschiedlichen Farben und Formen, würden nur die Eigenkapitalquote drücken, was irgendwann nicht mehr sehr opportun ist. Eine Kapitalerhöhung durch den derzeitigen Eigner, die Bundesrepublik Deutschland, ist allerdings fragwürdig hinsichtlich der Haushaltslage und auch ordnungspolitisch ist nicht ganz klar, warum ein Staat als Akteur im internationalen Logistikmarkt auftreten sollte. Daher also die Idee: Die Firma ganz oder teilweise verkaufen - und da sie derzeit auch noch profitabel ist, kann man mit Investoreninteresse rechnen, vor allem, da Eisenbahnen als Anlage gerade wieder schwer in Mode kommen.
Populäre Vereinfachungen in diesem Bereich gibt es vor allem zwei:
Einmal wird oft behauptet, die DB sei ohne Subventionen nicht profitabel und deswegen nur ein Umverteilungskanal aus der Staatskasse in private Hände. Unter dem Kampfbegriff »Subvention« werden dabei die Investitionszuschüsse für Bauprojekte und Ähnliches und die Bestellerentgelte für den Nahverkehr zusammengerechnet. Letztere zählen schon einmal gar nicht, da es sich um die Bezahlung für bestellte Leistungen handelt: Die Aufgabenträger sind hier die Kunden der DB (oder ihrer Konkurrenz). Die Investititionszuschüsse wiederum sind ganz eindeutig »Geschenke« an die DB, werden jedoch von einem nicht unbeträchtlichen Eigenanteil (insgesamt und brutto meistens so um die 50%) begleitet; es können also durch diesen Modus Projekte realisiert werden, die in reiner Staatsfinanzierung vielleicht so nicht drin wären. Es ist schon so, dass die DB ohne Staatsmittel bilanzmäßig völlig anders da stehen würde; aber das hat sie mit jedem Unternehmen gemeinsam, zu dessen Haupteinnahmequellen Aufträge der öffentlichen Hand gehören, zum Beispiel mit fast jeder Tiefbauunternehmung. Ob in dieser unübersichtlichen Gemengelage das Erwirtschaften von Profiten durch die beauftragten Unternehmen im Sinne der deutschen Staatsraison ist oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen. Man hat jedenfalls in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es Vorteile haben kann, wenn nicht alle Aufgaben, die der Staat bezahlt, von direkt alimentierten Staatsdienern erledigt werden.
Zum zweiten wird gerne behauptet, die DB sei, da durch Steuergelder aufgebaut, Volkseigentum; dass die Gleichsetzung von Volk und Staat hoch bedenklich, um nicht zu sagen totalitär, ist, sollte fast 90 Jahre nach der Oktoberrevolution auch langsam klar sein.

Bild: Hans Schlieper bei Wikimedia Commons (Details und Rechtefreigabe)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schön, daß du dich mit dem Thema befaßt, ich habe mir heimlich schon eine Behandlung gewünscht.