Donnerstag, 9. August 2007

22: Fahren und Fliegen

Wer fliegen will, muss zum Flughafen kommen, und es bietet sich an, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu tun, da gängige Personenflugzeuge nur selten Möglichkeiten zur Fahrrad- und Automitnahme bieten. Entsprechend naheliegend ist es, Flughäfen eigene Bahnhöfe anzubauen. Berlin-Tempelhof hatte bereits 1927 einen U-Bahn-Anschluss; der erste Flughafen-Fernbahnhof der Welt eröffnete 1958 in London-Gatwick. Die nächsten in Deutschland waren Berlin-Schönefeld 1962, Frankfurt am Main 1972 und Düsseldorf 1975.

Auf die ersten schlicht gefliesten Tunnelstationen folgten schnell Bauten, die zu den schönsten modernen Bahnhofsgebäuden überhaupt gehören, unter anderem deswegen, weil Flughäfen einige der wenigen Gelegenheiten bieten, im dicht besiedelten Europa neue Bahnhöfe als Solitäre in freies Gelände zu bauen. Der abgebildete Calatrava-Bau für Lyon-Saint-Exupéry 1994 gehört dazu wie auch der Frankfurter Flughafen-Fernbahnhof 1999.
Bei neuen Flughäfen werden die Bahnhöfe meistens gleich eingeplant - so beginnt der Umbau von Berlin-Schönefeld zum neuen Airport Berlin-Brandenburg International mit der Herstellung des Tiefbahnhofs, über den einmal die Hälfte aller Fluggäste anreisen soll; daher auch die Rede vom »Eisenbahnflughafen« in der letzten Kolumne.

Interessanterweise sind die meisten Flughafenbahnhöfe baulich und fahrplanmäßig keine Endstationen, obwohl man erwarten kann, dass der Hauptverkehr aus Shuttles besteht, die zwischen einem Innenstadtbahnhof und dem Flughafen pendeln. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass ein Bahnhof, der auch von durchgehenden Regional- und Fernzügen bedient wird, nicht nur Vorteile für Fluggäste aus der richtigen Richtung bietet, sondern eventuell einen ganz neuen Umsteigeknoten schaffen kann, je nach Lage und Fluggastzahl. Außerdem kann man ja nicht nur umsteigen. Die Tendenz von Flughäfen, sich gewissermaßen zu Vorstädten ohne feste Wohnbevölkerung zu entwickeln, hilft natürlich ebenso wie die Tatsache, dass meistens auch ein Autobahnanschluss und große Parkhäuser in Steinwurfweite zu finden sind. Dem genannten Bahnhof in Frankfurt wird nicht ohne Grund derzeit eine riesige Multifunktionsimmobilie aufs Dach gebaut. Letztlich bestätigt sich hier nur die jahrtausendealte Weisheit, dass dort, wo viele Leute vorbeikommen, irgendwann auch welche bleiben.
Das Problem, dass in vielen Städten mit dem Flughafen so ein zusätzlicher Fernzughalt besteht, der womöglich ohne größere Fahrzeitverlängerungen für die nicht Betroffenen bedient werden soll, ist zwar nur schwierig zu lösen (siehe auch Prellblog 10), aber es bleibt das Fazit, dass es keine schlechte Idee ist, Flughäfen in flächendeckende Eisenbahnnetze einzubinden statt sie nur einseitig an Hauptbahnhöfe anzubinden. Dies wirft ein schiefes Licht unter anderem auf die Münchner Transrapid-Planungen (siehe auch Prellblog 31).

Interessant sind die Dienstleistungen von Eisenbahnen im Zusammenhang mit Flügen, die viele Skeptiker einst Schlimmes vermuten ließen: Check-in von Gepäck direkt am Bahnhof und Züge mit Fluggepäckbeförderung und Lufthansa-Personal, die auf Flugtickets als Anschluss-»Flüge« buchbar sind, ließen und lassen Wehgeschrei erschallen, bald verkehrten Züge nur noch zwischen Flughäfen oder die Bahn werde vollständig auf die Funktion als Flugzubringer reduziert. Man hat auch schon Verschwörungstheorien gelesen, es gebe Absprachen zwischen Lufthansa und Deutscher Bahn, das Netz in genau diese Richtung zu entwickeln.
Hierzu sei daran erinnert, dass die Bundesbahn ihrerzeit einmal davon träumte, Fernstrecken mit bahneigenen Hubschraubern zu fliegen, wofür die Dächer der Innenstadtbahnhöfe als unschlagbar gelegene Startplätze dienen sollten. Aber das ist lange her.

Foto: Tom Godber (alias masochismtango) bei Flickr (Details und Lizenz)

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