13: Häppchen oder Holzklasse?
Demnächst werden ICE der DB bis Paris und TGV der SNCF bis Stuttgart fahren. Das sieht aus, als machten sich damit zwei europäische Eisenbahngesellschaften Konkurrenz. So ist es aber nicht, da beide Zugarten klassisch staatsbahnerisch gemeinschaftlich betrieben werden, und die einzige Direktverbindung, auf der sie gegeneinander antreten, ist die zwischen dem Regionalbahnhof TGV Lorraine und Paris. Das ist schade, sonst könnte man lernen, ob stimmt, was viele predigen: Dass die Eisenbahn mehr auf Komfort und Service (statt auf Geschwindigkeit oder Sonderpreise) setzen sollte, um mehr Fahrgäste auf die Schiene zu bekommen. Denn es treffen bei gleicher Fahrzeit zwei Zugbauarten aufeinander, die unter anderem verschiedene Sitze und Raumverhältnisse bieten, und bei denen wohl auch unterschiedliche Bordverpflegung serviert wird.
Aus ihrer gescheiterten Abschaffung bei der DB und den Erfahrungswerten anderer Bahnen weiß man, dass Speisewagen zwar keinen eigenen Profit erwirtschaften, aber für viele ein Argument darstellen, Eisenbahn zu fahren. Ein wie auch immer geartetes Bewirtungskonzept scheint allgemein Nachfrage zu ziehen.
Viel Personal zu haben, das im Zug unterwegs ist, um sich darum zu kümmern, was bei der DB »Servicewünsche« heißt, und vor allem auch den ein oder anderen Fahrschein verkauft, stört auch niemanden, genauso wie Steckdosen an jedem Platz und großzügige Stellmöglichkeiten für Gepäck.
Mit anderen Komfortmerkmalen ist es schwieriger. Viele schimpfen darauf, dass es in absehbarer Zeit keine Abteilwagen mehr geben wird, sondern nur noch Großräume, wie in Nordamerika schon immer. Ich persönlich mag Abteile überhaupt nicht und hege die, allerdings nur subjektiv begründete, Ansicht, dass sie die Haltezeiten verlängern und unnötiges Umhergehen in den Zügen verursachen, weil Fahrgäste dazu tendieren, nach einem leeren Abteil zu suchen. Andere fluchen angesichts von Großräumen, in denen es nie wirklich leise oder dunkel wird. Ähnlich verhärtet sind die Fronten beim ewigen Disput, ob klimatisierte Wagen oder solche mit öffenbaren Fenstern angenehmer sind. Manche mögen auch die klappbaren Fußstützen, die beim Umbau der älteren ICE nach und nach verschwinden.
Wir werden erst erfahren, inwieweit man über mehr Service Fahrgäste anlocken kann, und inwiefern sich das rentiert, wenn es echten Wettbewerb im Fernverkehr gibt. (Der Versuch der DB, selber einen Schnellzug über den Komfort zu vermarkten, hieß übrigens Metropolitan und ist längst Geschichte.) Im Nahverkehr sind wachsende Fahrgastzahlen bei Betreiberwechseln meistens Fahrplanverbesserungen und der Psychologie geschuldet. Der Metronom, der in Niedersachsen etwa die Hälfte mehr Personen befördert als sein DB-Vorgänger, ist auch bloß ein Regionalexpress aus Bombardier-Doppelstockwagen. Ob die gesteigerte Pünktlichkeit durch die nagelneuen Drehstromlokomotiven, die reine Negativität der Tatsache, dass da etwas anderes als die DB fährt, oder aber die bescheidenen zusätzlichen Komfortmerkmale wie Leselampen, Stammplatzreservierung und Automatenbistro für den Erfolg verantwortlich sind, weiß man nicht so genau.
Ich hoffe, dass es irgendwann einmal dazu kommen wird, dass beispielsweise zwischen München und Berlin nicht nur der DB-ICE, sondern auch so etwas wie reine Abteilwagenzüge mit fluffigen Sitzen, wie man sie aus Frankreich oder Österreich kennt, Gepäckwagen und Drei-Sterne-Speisewagen fahren, und uns Vergleichswerte liefern. Das Kartell SNCF/DB bietet uns keine Fallstudie für echten Wettbewerb.
Dies ist der vierte Teil einer unregelmäßigen Serie im Ressort »Hochgeschwindigkeit« zu den Rahmenbedingungen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Deutschland.
Bild: »Laineys Repertoire« bei Flickr (Details und Lizenz)
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