Donnerstag, 17. Mai 2007

10: Punkt zu Punkt

Ein Zughalt kostet neben Energie und Stationsgebühren vor allem Zeit. Man muss den Zug verlangsamen, die Fahrgäste müssen ein- und aussteigen, und danach muss er beschleunigen. Führe er durch, könnte er um die dafür benötigten drei bis zehn Minuten früher am Endbahnhof sein - eventuell die Zeitersparnis, die genügend Leute dazu bewegt, dorthin zu fahren, dass der Fahrgastverlust durch den ausgefallenen Halt mehr als kompensiert wird. Bei der Planung ist das häufig schwer abzuschätzen, es sei denn, der Zug erwischt durch die kürzere Fahrzeit bessere Anschlüsse.

Es gibt nun Halte, denen man gerne den Vorwurf macht, netto Fahrgäste zu kosten, indem sie unnötig die Reisegeschwindigkeit von Zügen drückten oder gar Umwege bei Streckentrasssierungen erzwängen. Der Klassiker ist Göttingen, wobei einige meinen, dass schon Kassel-Wilhelmshöhe eine unnötige Konzession gewesen sei. Neuer und bekannter sind die beiden Regionalbahnhöfe an der Neubaustrecke Köln-Rhein/Main, nämlich Montabaur und Limburg Süd. An derselben Strecke gibt es noch zwei Flughafenbahnhöfe und den Halt in Siegburg/Bonn.
Die Strecke hat zudem noch einen Abzweig nach Wiesbaden und eine Verbindungskurve zur alten Frankfurter Flughafenbahn, was demonstriert, dass sich die deutsche Schnellstreckenplanung bemüht, durch Ein- und Anbindungen aller Art, auch wenn Bahnhöfe verlegt werden müssen, wie in Montabaur, oder neu gebaut, wie in Limburg, Flächeneffekte zu erzeugen, statt nur dem Punkt-zu-Punkt-Verkehr zu dienen. Das kann richtig teuer werden: Der Köln-Bonner Flughafen ist in die Strecke eingeschleift, das heißt, er liegt nicht am Hauptstrang selber, sondern parallel als "Bypass", und kann daher von Zügen durchfahren oder umfahren werden. Das hat mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet. Darmstadt und Coburg werden in Zukunft ähnliche Einschleifungen in neue Strecken bekommen, Mannheim eventuell auch.

Man kann nur spekulieren, wie Kosten und volkswirtschaftlicher Nutzen aussähen, hätte man seit 1973 auf Kurven und Schleifen verzichtet und sich darauf konzentriert, Metropolen im Punkt-zu-Punkt-Verkehr zu verbinden, wie das beispielsweise bislang im auf Paris ausgerichteten französischen Schnellstreckennetz gemacht wurde. Auch dort wurden zwar Regionalbahnhöfe neu gebaut, um die Fläche zu versorgen, diese sind allerdings nur per Straße erreichbar (wie übrigens auch Kinding und Allersberg an der neuen Strecke München-Nürnberg.)
Der einzige Punkt-zu-Punkt-Verkehr derzeit besteht aus den ICE-Sprintern, und da wurde das Netz bisher kaum ausgeweitet, trotz einiger Versuche. Es gibt einfach zu viele Städte, und eine praktische sternförmige Ausrichtung wie um Paris haben nur die Strecken, die nach Berlin führen.
Trotzdem gibt es unter den regulären ICE selber Abstufungen, was die Haltzahlen angeht. Auf der Strecke Frankfurt-Köln hält nicht jeder Zug am Köln-Bonner Flughafen, die beiden Regionalbahnhöfe werden abwechselnd angefahren und auch nicht von allen Zügen; zwischen München und Nürnberg gibt es eigene Nahverkehrszüge (die allerdings 200 km/h erreichen). Manche Züge fahren also ein bisschen mehr Punkt-zu-Punkt, andere ein bisschen weniger.
Man nennt so etwas vornehm "Langsam-Schnell-Konzept", und die Idee gibt es, seit der erste Eilzug den ersten Nahverkehrszug überholte. Im Nahverkehr ist es oft Ziel von Ausbaumaßnahmen, ein Langsam-Schnell-Konzept aus RE und RB einführen zu können. Der Fernverkehr wird über kurz oder lang, vor allem, wenn weiterhin neue Regionalbahnhöfe an Hochgeschwindigkeitsstrecken entstehen und neue Schleifeneinbindungen gebaut werden, nicht daran vorbeikommen, ähnlich zu differenzieren. Wie das genau passiert, ist letztlich nur Detailfrage.
Und so drängt sich die Erkenntnis auf, dass flotte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ohne viele Halte und ein enger Fahrplan sich nicht widersprechen sondern eher bedingen. Nur wenn viele Züge fahren, kann man sich leisten, nicht alle überall halten zu lassen - zumindest in einem eher großen Land mit trotzdem flächig verteilter Bahnkundschaft. Das deutsche Eisenbahnnetz muss gewissermaßen gleichzeitig Schweiz und Frankreich spielen.

Dieser Artikel ist der dritte Teil einer unregelmäßigen Serie zu den Rahmenbedingungen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs im gleichnamigen Ressort.

Bild: Horatius bei Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hierzu kann ich was nettes beitragen. Ich wohne ja in der Nähe von Ingolstadt und habe den Nürnberg-München Express schon getestet. In der Direktverbindung von München nach Nürnberg hat man derzeit, eigentlich nur 15 Minuten Zeitnachteil gegenüber ICEs, allerdings liegen Allersberg und Kinding tatsächlich weit ab vom Schuß und werden mir hier in Eichstätt empfohlen mit dem Bus anzufahren, was gelinde gesagt dämlich ist.

ECS hat gesagt…

schöner Artikel!