Freitag, 22. Februar 2008

49: Fertik!

Die Person, die zwischen der Windschutzscheibe und der Führerstandstür sitzt (übrigens haben diese Leute erst seit den 1950ern Sessel; früher war die Rede vom Führerstand noch wörtlich zu nehmen), wird gerne Zugführer genannt, aber in Deutschland ist das prinzipiell erst einmal falsch. Den Zug fährt, wenn er denn einmal fährt, ein Triebfahrzeugführer (beziehungsweise Eisenbahnfahrzeugführer - siehe auch Prellblog 6); aber dass er fährt, liegt in der Verantwortung des Zugführers.
Das ist die Person, die mit einer roten Armbinde versehen im Zug herumläuft und das allfällige Fahrkartenkontrollieren und sonstige Tagwerk bei jedem Halt rechtzeitig unterbricht, um als erste aus- und als letzte (oft, wenn der Zug schon wieder rollt) wieder einzusteigen. Was dazwischen passiert, nennt man Abfertigung.

Das Prinzip ist dabei eher einfach: Der Zugführer schaut, ob alle eingestiegen und die Türen geschlossen sind, dann gibt er an den Triebfahrzeugführer das Signal zur Abfahrt. 
Erst im Detail wird es spannend.
Zum Beispiel schließen heute generell die Fahrgäste die Türen nicht mehr von Hand, und auch offene Türen bei fahrendem Zug werden zumindest in Mitteleuropa nur noch selten geduldet. Es muss also einen Mechanismus geben, der für das Schließen und Verriegeln der Türen sorgt - und natürlich für das Öffnen, wenn der Zug gehalten hat. Dazu sind bei allen halbwegs modernen Zügen durchgehende Steuersysteme für die Türen vorgesehen, mit denen vom Führerstand aus die Türen freigegeben werden; das Schließen und Verriegeln hingegen wird vom Zugführer von einer Tür aus ausgelöst. (Der Schalter dafür ist nur mit einem Vierkantschlüssel bedienbar, und damit das Zugpersonal nicht auf dem Bahnsteig zurückbleibt, müssen die Türen, durch die es nach der Abfertigung wieder einsteigt, gesondert notentriegelt werden.)
Wenn gegebenenfalls die Schaffner dem Zugführer den Zug abfahrbereit gemeldet haben beziehungsweise er dies im Alleingang festgestellt hat, erteilt er dem Triebfahrzeugführer den Abfahrauftrag. Entweder mit einer Kelle (etwaiges Pfeifen ist optional) oder aber mit Hilfe einer sogenannten Zp9-Anlage, einer Säule auf dem Bahnsteig, die wieder einen Vierkant-Schlüsselschalter und einige Drucktasten hat. Damit kann ein grünes, ringförmiges Leuchtsignal am Bahnsteiganfang eingeschaltet werden, mit Zeitverzögerung, damit der Zugführer es noch zurück in den Zug schafft. Auch die automatische Ansage, die bekannt gibt, dass die Türen selbsttätig schließen, und die Löschung der Zugzielanzeiger können meistens von dort gesteuert werden.
Auf sehr großen Bahnhöfen gibt es inzwischen auch wieder örtliche Aufsichten (»Rotkäppchen«), die typischerweise in einem Glaskabuff sitzen und zur Entlastung des Zugpersonals das Abfertigen der Züge übernehmen.

Nun darf man den grünen Leuchtkranz nicht mit einem Signal verwechseln, das anzeigen würde, dass die Strecke frei ist. Das ist das Ausfahrsignal, und es hat den Bezug zur Abfertigung, dass es auf Fahrt stehen (grün zeigen) muss, bevor die Abfahrt erteilt werden kann. Dazu hängen am Bahnsteig Fahrtanzeiger, die einen leuchtenden schrägen Balken oder leuchtende Punkte zeigen, wenn das Ausfahrsignal grün ist. Fahren darf der Zug aber prinzipiell auch ohne Abfertigung. In anderen Ländern, z.B. in Frankreich, hat die Abfertigung einen anderen Status und ein Zug darf eben nicht ohne sie losfahren.
Man sieht, dass es auch irgendwann Prellblog-Artikel zu Signalsystemen und zu der abstrakten, aber wichtigen eisenbahnerischen Unterschiedung zwischen Verkehr und Betrieb wird geben müssen.

Übrigens gibt es natürlich vielfältige Varianten der Abfertigungsprozedur, vor allem bei unbegleiteten Zügen wie S-Bahnen. Dort obliegt es je nach System der Bahnsteigaufsicht, dem Lokführer und der Technik zu unterschiedlichen Teilen, für Sicherheit zu sorgen und den Zug abfahrbereit zu melden. Sensoren in den Türen und Kameras auf dem Bahnsteig spielen dabei eine Rolle. 

Der Titel dieses Artikels ist das mündliche Abfertigungssignal bei der türkischen Eisenbahn.

Bild: Jenny Webber (»pepewk«) bei Flickr (Details und Lizenz)

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