Donnerstag, 15. November 2007

35: Projekt Eiertanz 4: Anforderungen

In der ersten Folge von Projekt Eiertanz (Prellblog 28) habe ich versucht zu beschreiben, warum die DB und ihr Besitzer den Börsengang anstreben. Nun ordnet sich der in einen Transformationsprozess namens Bahnreform ein, der bestimmte Ziele hat; und natürlich haben alle, die das System Eisenbahn nutzen, auch Interessen. Inwiefern tut der Börsengang etwas dafür oder dagegen?

Ziele der Bahnreform sind, knapp gesagt, Entlastung des Bundeshaushaltes und Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, beides womöglich dauerhaft. Die Haushaltsentlastung wurde numerisch erreicht: Die Investitionen der DB werden seit ihrer Gründung zu zirka 30 bis 90 Prozent aus Eigenmitteln erbracht; der Rest sind hauptsächlich Bauzuschüsse. Nun gibt es Leute, die behaupten, diese Rechnung sei Augenwischerei, die Eigenmittel seien vollständig im staatlich bezahlten Nahverkehr erwirtschaftet, außerdem lasse die DB mutwillig ihre Infrastruktur verfallen, schreibe die bundesfinanzierten Immobilien (vor allem Neubaustrecken) nicht ordungsgemäß ab und reiße damit eine Investitionslücke auf, in die später der Staat nachzahlen müsse. Ich persönlich kann nicht feststellen, dass sich die DB in der unterfinanzierten deutschen Eisenbahnlandschaft irgendwie schädlicher verhielte als die ehemaligen Staatsbahnen; die DR lebte von der Substanz wie die ganze DDR, bei der Bundesbahn bröckelte bereits in den 1970ern das Bestandsnetz, und das ohne Anstrengungen zur flächendeckenden Rationalisierung, wie es sie heute gibt.
Die Verkehrsverlagerung hat im Nahverkehr funktioniert: Die Fahrgastzahlen sind um etwa 50 % gestiegen, es hat Streckenreaktivierungen und Ausbauten von Regionalstadtbahnsystemen in einem vorher unbekannten Ausmaß gegeben. Natürlich kann dies andere Gründe als die Regionalisierung gehabt haben, es drängt sich aber schon der Eindruck auf, dass die Länderhoheit und die Ausschreibungsmöglichkeiten erheblich beteiligt waren. Ein Erfolgsprodukt wie der niedersächsische Metronom wäre vor 1996 nicht denkbar gewesen. Im Güterverkehr schwankten die Verkehrsanteile bis vor kurzem, sprangen dann um 2004-2005 herum steil in die Höhe, zeitgleich mit dem Marktanteil der Nicht-DB-Güterbahnen. Auch hier ist die Bahnreform also zumindest teilweise verantwortlich. Wo es hapert, ist der Fernverkehr: Es gibt nur symbolischen Wettbewerb, die Fahrgastzahlen entwickeln sich nicht gerade flott nach oben.
Das Kundeninteresse im Güterverkehr scheint durch die neuen DB-Konkurrentinnen besser bedient zu werden als bei der schläfrigen Staatsbahn. Auch deren Nachfolgerin rappelt sich allmählich. (Wie es aussieht, wenn man auf Marktöffnung weitgehend verzichtet und die Staatsbahn weiterwurschteln lässt, sieht man an dem Fiasko der SNCF-Gütersparte.) Im Personenverkehr ist es nicht gerade simpel zu sagen, was Kunden überhaupt wollen. Die Konzentration des De-facto-Fernverkehrsmonopolisten auf den ICE wird von nahezu allen Interessengruppen, die sich artikulieren, lauthals beklagt, stößt aber bei der breiten Masse durchaus auf Zuspruch. Allerdings hinterlässt diese Strategie Lücken, die derzeit meistenteils nicht von DB-Konkurrenten mit Fernverkehrszügen, sondern unter hohem Einsatz öffentlicher Mittel durch schnellen, ganz oder teilweise bestellten Regionalverkehr geschlossen werden, häufig von der DB selber.
Der Börsengang in seiner bisher geplanten Form hätte eine einmalige Haushaltseinnahme beschert und vielleicht die moderate Dauerentlastung, die seit der Bahnreform besteht, geringfügig verstärkt, da der Bund mit dem System Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung einige neue Daumenschrauben erhalten soll, um die DB zu gutem Wirtschaften mit seinen Zuschussmitteln zu zwingen. Nun könnte man dieses Vereinbarungsregime durchaus schon heute, ohne Börsengang, einführen; bleibt nur der einmalige Erlös als Vorteil.
Die Finanzspritze für die DB hätte andererseits wohl weder für Nahverkehrs- noch für Güterkunden nachhaltig positive Ergebnisse, da diese in einem funktionierenden Markt nicht darauf angewiesen sind, dass die DB viel in den Verkehr investiert. Interessant würde es im Fernverkehr, wo große Rollmaterialinvestitionen geplant sind. Die Einnahmen des Börsengangs könnten beispielsweise die Ersatzneubeschaffung der InterCity-Flotte finanzieren, auf die schon seit etwa fünf Jahren gewartet wird.
Ich gehe davon aus, dass eine nach dem vorgeschlagenen Modell teilverkaufte DB weder signifikant besser noch schlechter mit dem Netz umgehen und der trotz aller Diskriminierung erfolgreiche Wettbewerb im Nah- und Güterverkehr sich auch nicht groß anders entwickeln wird. Einen kundenrelevanten Unterschied könnte es höchstens im Fernverkehr geben, wo wegen fehlender Marktöffnung die Finanzausstattung der DB wirklich etwas ausmacht. (Vom Auslandsgeschäft und den Nicht-Bahn-Aktivitäten der DB sei einmal abgesehen.)
Es wäre wohl eher im Kundeninteresse, setzten sich Bund und Länder zusammen, zu verhindern, dass auch fürderhin eingestellte DB-Fernverkehre durch staatsfinanzierte Regionalexpresse ersetzt werden. Dazu wäre eine geordnete Zusammenarbeit mit potenziellen Konkurrenz-Fernbahnen und deren Investoren nötig. Das scheiterte wohl am durch die Mehrheit beider Volksparteien durchlaufenden, ordnungspolitisch ungesunden Willen, die DB mit Staatsmitteln stark zu machen. Und genau dieser hat uns das gegenwärtige Börsengangmodell erst beschert.

Bild: Jim Crossley (»raindog«) bei Flickr (Details und Lizenz)

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