152: Vade retro
Mangels einer zündenden Idee für einen neuen Artikel ist heute wieder einmal Listentag. Diesmal gibt es zehn in Presse und Politik beliebte Phrasen zum Themenfeld Eisenbahn, die mir beim Lesen Magenschmerzen bereiten. Naturgemäß liegt das Schwergewicht auf Formulierungen, die die DB betreffen, wird diese doch häufig mit dem System Eisenbahn gleichgesetzt.
- »Stadt X / Region Y / ganze Regionen werden abgehängt« - damit ist typischerweise die Reduktion von Fernverkehrshalten gemeint. Die Ausdrucksweise unterstellt, dass man von einem Bahnhof aus, an dem nicht mindestens n-mal am Tag ein Fernverkehrszug der DB hält (bei vage definiertem n), ganz gleich, wie viele andere Züge dort halten, keine sinnvolle Reise beginnen könne, was meist kompletter Unsinn ist.
- »die DB konzentriert sich auf den lukrativen Fernverkehr / auf den Verkehr zwischen Großstädten« - der Fernverkehr der DB ist nicht sonderlich lukrativ und eine wirkliche Konzentration auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ist zwar vielfach angedroht worden, wurde de facto aber nie in Angriff genommen. Im Gegenteil haben viele, auch kleinere, Städte neue einzelne Fernverkehrshalte spendiert bekommen (ich behaupte damit nicht, die Fernverkehrsstrategie der DB sei besonders großartig, aber man sollte nicht übertreiben).
- »Bahn / Ministerium / Bundesregierung schiebt Projekt XY aufs Abstellgleis« - kein Kommentar
- »Für Projekt XY wurden die Weichen gestellt« - dito
- »ICE-Strecke« - das ist so dämlich, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Es gibt zwar derzeit einige wenige Eisenbahnstrecken, auf denen nur ICE verkehren, aber die allermeisten Strecken (auch und gerade die Schnellfahrstrecken) werden von verschiedenen Zuggattungen befahren. Auch neue Strecken werden nach bestimmten europäischen Zugangsparametern geplant und nicht spezifisch für »den« ICE (siehe auch den nächsten Punkt).
- »der ICE kann/tut/darf dieses oder jenes« - »den« ICE gibt es nicht, es handelt sich dabei um eine Zuggattungsbezeichnung und gleichzeitig einen handlichen Oberbegriff für eine große Familie mehr oder minder nah miteinander verwandter Fahrzeuge, mit denen Züge dieser Gattung gefahren werden
- »Privatbahn« - von der Rechtsform her sind auch die Eisenbahnen des Bundes (also DB und Verwandte) Privatunternehmen, umgekehrt sind viele »Privatbahnen« ganz oder teilweise im Besitz von Gebietskörperschaften oder ausländischen »Staatsbahnen«.
- »die Fahrt von X nach Y dauert heute genauso lang wie / länger als zu Zeiten der Dampflok / der Bundesbahn / vor dem Zweiten Weltkrieg« - falls die Information über die Gesamtfahrzeit tatsächlich stimmt (ist längst nicht immer der Fall), bestehen in den meisten Fällen wesentlich mehr Verbindungen pro Tag als früher, häufig werden auch mehr Halte angefahren; solche Sätze sind normalerweise höchstens halbwahr
- »Kleinbahn« - von ausgegliederten Regionalnetzen der DB über DB-Töchter mit merkwürdigen Namen (»DB Heidekrautbahn« etc.) und nichtbundeseigene Eisenbahngesellschaften bis hin zu Nebenstrecken ist dieses Wort schon für nahezu alles und jedes benutzt worden. Ursprünglich bedeutete es nochmal etwas ganz anderes. Man sollte es nicht mehr verwenden.
- »Bahn weigert sich, X zu tun« - bedeutet meistens nicht, dass die DB X völlig ausschließt, sondern nur, dass X aus Budget-, Planungs- und allgemeinen Bürokratiegründen, an denen typischerweise auch diverse Behörden beteiligt sind, nicht sofort in Angriff genommen werden kann; dies gilt insbesondere, wenn X ein Bahnhofsausbau oder die Beseitigung eines Bahnübergangs ist, was beides von der Politik mit vorangetriebene Prozesse sind, deren Vorlauf gerne Jahrzehnte dauert.
Bild: Kam Abbott (»Kam's World«) bei Flickr (Details und Lizenz)
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