Montag, 26. Juli 2010

133: Ein Nichtbericht

Ursprünglich sollte dieser (oder schon ein früherer) Artikel sich mit den ausgefallenen Klimaanlagen von Zügen befassen, die vor zirka zwei Wochen schlagartig die Fußball-WM als beherrschendes Pressethema ablösten. Ich muss rückblickend feststellen, dass der gesamte Trubel um die überhitzten Züge zwar in all seiner Vorhersagbarkeit lehrbuchmäßig vorexerziert hat, wie wenig Fachkompetenz, aber dafür wie viel mehr Willen zum öffentlichen Verkünden ausgelutschtester Plattitüden und dreistesten Unsinns es bei deutschen Medien und handelsüblichen Netzbesserwissern gibt, wenn es um Eisenbahnthemen geht; er hat mir allerdings keine Informationen geliefert hat, die mir erlauben würden, hier wenigstens so etwas wie ein qualifiziertes Fazit des Geschehenen aufzuschreiben. Die fragwürdige Art und Weise, wie die Deutsche Bahn und ihre gesellschaftliche Peripherie (Verkehrsminister und -ministerium, Eisenbahnbundesamt, Verkehrsausschuss des Bundestages, Fahrgastverbände, Bahnindustrie) mit den Vorfällen umgehen, tut ein Übriges.
Zu den Fragen,

  • ob in diesem Sommer mehr Klimaanlagen in Zügen ausgefallen seien als in vergangenen vergleichbar heißen Sommern;
  • ob, falls ja, diese Zunahme an Ausfällen vielleicht bereits durch die hohe Auslastung der betroffenen Züge erklärbar sei, durch die besonders hohen Außentemperaturen oder durch beides;
  • ob beim Ausfall des Kühlteils einer Klimaanlage in einem Zug ohne öffenbare Fenster wie den ICE normalerweise eine Zwangsbelüftung mit ungekühlter Außenluft weiterlaufe und, falls ja, warum sie in den bewussten Fällen ausgefallen beziehungsweise nicht ausreichend gewesen sei;
  • wie heiß es in den heißesten Zügen tatsächlich gewesen sei;
  • ob und welche Fehler von Zugpersonal, Wartungspersonal, Herstellern und Management gemacht worden seien;
  • ob und was all dies mit Sparmaßnahmen beziehungsweise mit den ohnehin bereits auf Grund der Radsatzprobleme prekären Wartungsplänen der ICE-Flotte zu tun habe;

und noch zu einer ganzen Reihe mehr kann ich mich selbst nach intensiver Lektüre der Presse und der Diskussionen im Netz nicht sinnvoll äußern, weil kaum irgendwo der Versuch gemacht wurde, diese Fragen fundiert zu beantworten, statt großspurige Thesen aus dem Ärmel zu schütteln und brutalstmögliche O-Töne abzudrucken. Was wieder einmal bestätigt wurde, ist, dass es sich nicht lohnt, Artikel zu lesen, in denen gehäuft Wörter vorkommen, die auf »-chaos« enden; das gilt doppelt, wenn es sich um Artikel handelt, die Artikel zitieren, die das Boulevardmagazin »Frontal 21« zitieren. Ebenfalls bekräftigt wurde die zum Beispiel von Angelsachsen weiterhin mit Verwunderung gesehene Neigung deutscher Medien, stets aufs Neue dieselben Positionen derselben Leute wiederzugeben.
Die FAZ behauptet ihr Standing als einziges Qualitätsmedium mit ernstzunehmender Eisenbahn-Berichterstattung, wenn man von einigen fragwürdigen Tiraden absieht, und berichtet immerhin von Druckwächtern, davon, dass sich im ICE 2 Klimaanlagen nach mehrfachem Druckwächteralarm nicht mehr automatisch einschalten und dass es mindestens zwei verschiedene Filter gibt, die verstopfen können. Viel mehr ist aber auch da nicht zu holen. An den Rändern der aufgewallten Empörung liest man, das Problem sei nach Ausgabe neuer Instruktionen an das Zug- und Wartungspersonal mittlerweile weitgehend beherrscht, aber das tritt völlig in den Hintergrund angesichts immer absurderer Forderungen als »Konsequenzen« der Ausfälle - der Verkehrsminister möchte mittlerweile Klimaanlagen zu sicherheitsrelevanten Bauteilen erklären lassen; im Verkehrsausschuss gibt es Forderungen, den DB-Vorstand zu vergrößern, als sei nicht schon vor kurzem aus genau den dafür genannten Gründen ein Technikvorstand eingeführt worden.

Das Prellblog äußert also ein großes Seufzen; das Versprechen, das Thema noch einmal aufzugreifen, wenn sich wirklich etwas Sachliches dazu sagen lässt; und folgende Schlussfolgerung, soviel sei mir erlaubt: Die DB und vielleicht auch jeder andere große gesellschaftliche Akteur, der mit Technik zu tun hat, deren Komplexität von den Medien nicht begriffen wird, sollte sich, ob es ihr nun gut geht oder schlecht, vollständig darauf beschränken, auf Nachfrage möglichst transparent und detailliert zu beschreiben, was sie tut beziehungsweise was sie getan hat, und sich gegebenenfalls umfangreich für Fehlleistungen zu entschuldigen. Hinweise auf Zusammenhänge, auf Verantwortlichkeiten, auf Planungen oder Entwicklungen in der Vergangenheit - all das goutiert die Öffentlichkeit nicht im Geringsten, vor allem, wenn konkrete Informationen nicht vorliegen.

Bild: Peter van den Bossche (»LHOON«) bei Flickr (Details und Lizenz)

Sonntag, 18. Juli 2010

132: Bauklötzchen

Wer dieser Tage im Hauptbahnhof von Frankfurt am Main umsteigt, darf am Bahnsteig zwischen den Gleisen 12 und 13 Bauleuten mit schwerem Gerät bei der Arbeit zuschauen. Hinten wird die Decke des Bahnsteigs, der erstaunlicherweise ein hohler Betonkasten ist, mit Betonsägen und Abbruchhämmern so präzise von ihrem Unterbau gerissen, dass die freigelegten Schnittflächen aussehen wie frisch betoniert. Vonn vorne her wird der Bahnsteig gleichzeitig neu gebaut.
Am Ende dieser ganzen 8,5 Millionen Euro teuren Maßnahme (im September) wird der Bahnsteig nagelneu und als erster der Mittelbahnsteige mit demselben Granitfußboden belegt sein wie seit 2007 schon der Quer- und die Hausbahnsteige; außerdem wird er außerhalb der Halle ein 130 Meter langes Dach bekommen. Wohl da es sich beim Bahnsteig 12/13 um einen der am flexibelsten nutzbaren in diesem Bahnhof handelt (auf ihn kann ohne große betriebliche Behinderung von mehreren Richtungen aus eingefahren werden), führt der Umbau zu einigen Beeinträchtigungen bei der Intercity-Linie Karlsruhe-Stralsund und auch im Nahverkehr. Gut, dass er nur zehn Wochen dauert.

Einer der Hauptgründe dafür ist, dass der neue Bahnsteig aus Fertigteilen aufgebaut wird. Mit einem riesigen Schienenkran, wie er in einem überdachten Bahnhof eher selten anzutreffen ist, werden die großen Betonplatten auf die abgesägten Wände gelegt. So etwas sieht man seit einigen Jahren immer öfter bei Bahnbaustellen, eben um die Sperrungen, die bei vielen Baumaßnahmen unvermeidlich sind, möglichst knapp zu halten. Ganze Haltepunkte, wie beispielsweise hier vor einigen Jahren Gießen Oswaldsgarten, werden in minimaler Zeit aus Betonmodulen zusammengestöpselt, die einfach auf Pfähle oder Stützscheiben aufgelegt werden, komplett mit Bodenbelag, Kantenmarkierungen, Blindenleitstreifen und Antirutschprofil. Aber auch konventionell mit Erdkörper gebaute Bahnsteige haben heutzutage fast ausnahmslos eine Vorderkante aus speziellen Betonsteinen, meistens ebenfalls bereits mit fertigem Kantenprofil.
Bahnbetreiber gehören damit mittlerweile wohl zu den größten Abnehmern von Beton-Fertigprodukten überhaupt, vor allem, wenn man die Betonschwellen mitrechnet, die Kabelkanäle, Schächte, Entwässerungsrohre, Düker und was sonst noch so alles an den Strecken verbaut wird. Alles natürlich genormt und zumindest bei der DB in nummerierten Rahmenverträgen von aufwändig zertifizierten Lieferanten bezogen.

In noch größerem Maßstab wird die Bauklotztechnik bei einer der häufigsten größeren Baumaßnahmen an Strecken verwendet, nämlich dem Ersatz oder Neubau kleinerer Brücken. Dabei hat sich ein Verfahren als Standard etabliert, das noch vor 40-50 Jahren eine Sensation darstellte: die neue Überführung wird neben dem Bahndamm beziehungsweise neben dem zu ersetzenden Bauwerk errichtet und dann im Ganzen innerhalb kürzester Zeit an den Einbauort gebracht. Dies kann durch Verschieben mit Pressen geschehen, wobei die Reibung zwischen Bauwerk und Gleitbahn entweder durch Druckgaspolster oder durch Zwischenlagen aus Teflon reduziert wird; Stahlbauwerke oder Brückenteile ohne Widerlager werden auch gerne mit einem oder mehreren großen Mobilkränen eingehoben.
Auch bei größeren Brücken wird heute auf der grünen Wiese gebaut und dann geschoben und gehoben. Man hat es sich heute angewöhnt, für selbstverständlich zu halten, dass beispielsweise die neue Rheinbrücke bei Kehl oder die neue Oderbrücke bei Frankfurt eingebaut werden konnten, ohne dass die jeweilige Strecke länger als zwei Monate gesperrt werden musste.

Die Fertighäuschen, in denen Signaltechnik an der Strecke untergebracht wird, sowie Signalmasten werden übrigens immer öfter gleich per Hubschrauber eingeflogen. Ausfallzeiten zu vermeiden ist heute, da mehr Züge pro Tag unterwegs sind als je zuvor (und das auf einem reduzierten Netz), einer der Hauptgesichtspunkte, unter denen gebaut wird. Wer Verspätungen und Zugausfälle bei den deutschen Eisenbahnen 2010 im Vergleich zur Vergangenheit betrachtet, muss daher nicht nur einbeziehen, dass die Zugdichte gestiegen ist, sondern auch gegenrechnen, dass die Beeinträchtigungen durch größere Baumaßnahmen ceteris paribus immer weiter abgenommen haben.

Bild: Greg Cutler (»greckor«) bei Flickr (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

Mittwoch, 7. Juli 2010

Spitzenzeit

Ich bin sehr beeindruckt und erfreut davon, wie viele LeserInnen dann doch an der »Volkszählung« teilgenommen haben - mehr als 25 scheinen hier also auf jeden Fall mitzulesen. Ansonsten muss ich leider mitteilen, dass sich das nächste Prellblog wieder unbestimmt verzögert, wie am Semesterende so üblich :(