Mittwoch, 27. Mai 2009

Extrem niedrige Servicequalität

Es tut mir sehr Leid, dass das Prellblog nun de facto schon zweimal hintereinander ohne nähere Angabe von Gründen ausgefallen ist. Ich habe derzeit neben Kirchenmugge und einer Häufung sozialer Verpflichtungen wieder einen Vortrag vorzubereiten und mein Exposé will auch endlich fertig werden - es geht aber mit Sicherheit die Tage wieder weiter.

Samstag, 16. Mai 2009

95: »Kaufen! Kaufen!«

Im Zug ist man fast nie allein. Früher war das dominierende Element der sozialen Situation beim Zugfahren die Kleingruppe im Abteil; diese Zeiten sind - wie ich finde: glücklicherweise - vorbei, der Großraum ist der Standard. In den letzten Wochen und Monaten hat dies aus unbekannten Gründen das Augenmerk der deutschen Medien gefunden. Kaum eine »Qualitätszeitung«, kaum ein populäres Internetangebot, wo sich in letzter Zeit nicht irgend jemand satirisch, kulturkritisch oder schlicht jammervoll über das Benehmen Mitreisender in der Bahn ausgelassen hat.


Wie kommt das? Ich vermute, dass es damit zu tun hat, dass der Marktanteil der Eisenbahn am Personenverkehr seit einigen Jahren wächst oder zumindest stabil bleibt, mithin Bahnfahren nicht mehr das Nischenphänomen ist, das es einmal war, und durch größere Auslastungen auch Journalisten auf Dienstreise stärker mit ihren Großraumgenossinnen konfrontiert werden als früher.
Die Hauptbeschwerde ist jedenfalls immer dieselbe: Es werde zu laut, zu viel, zu platt telefoniert in den Zügen, das ständige Vollgequatschtwerden sei eine existenzielle Zumutung. Schade, dass es hierzu keine zitierfähigen Vergleichsstudien gibt. Ich erinnere mich natürlich an die unbekümmert und in raumfüllender Lautstärke telefonierende Frau, die mich einmal in der Sitzreihe hinter mir von Saarbrücken bis ungefähr Mannheim begleitet hat, und die selbst die natürlich sofort laut geäußerte Erkenntnis »die lachen hier schon alle über mich« nicht beirren konnte. Vermutlich sind es solche Ereignisse, die auch die ZeitungsschreiberInnen anspornen. Dass das öffentliche Belästigen Dritter mittels Mobiltelefonen nach anfänglichen Exzessen in den letzten Jahren eher wieder abgenommen hat, lässt sich aber auch nicht leugnen. Dass man aktuell einen nachhaltigen Trend hin zum nervigen Telefonieren in Zügen beobachten könne, halte ich für fraglich, genauso wie ich es für fraglos richtig beobachtet halte, dass viel zu viele Leute sich nicht darum scheren, ob sie nun in einer Ruhezone sitzen oder nicht. Ich habe selbst schon mindestens einmal (wenn auch in gedämpfter Lautstärke) in einer Ruhezone telefoniert. Man denkt im entscheidenden Moment nun einmal nicht immer an die Schildchen, die an der Wand kleben.
Natürlich wird nicht nur über Telefonierer, sondern auch über alles andere Übliche gelästert - trinkende Soldaten, gackernde Mädchen, der ach so unterirdische Service der DB, das schlechte Englisch der Durchsagen und was sonst noch aus der Klischeekiste geholt werden kann. Von der Infantilisierung und »Containerisierung« (wie man einst zu Zeiten sagte, als die erste Staffel von »Big Brother« noch eine Bedrohung der abendländischen Kultur schien) bis hin zum totalen Zerfall der Gesellschaft reichen die Diagnosen, die da gestellt werden.

Ich bin noch nicht sehr alt und fahre erst seit gut sieben Jahren intensiv Bahn. Meine Fragen bleiben daher notwendigerweise im Raum stehen: Hat es die Zeiten, da es in allen Großraumwagen flächendeckend still war wie in einer Bibliothek, wirklich gegeben? Und herrscht heute wirklich flächendeckend unerträglicher Radau? Vor allem: Rechtfertigt irgend etwas davon die Überheblichkeit, mit der Journalisten BahnfahrerInnen niederschreiben?

Bild: Diane S. Murphy bei Flickr (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

Dienstag, 12. Mai 2009

Betriebseinschränkung

Weil ich mich auf einen wichtigen Vortrag vorbereite, wird das Prellblog für diese Woche am Donnerstag/Freitag nachgeholt. Es wird um ein aktuelles Modethema gehen, nämlich das Sozialverhalten in Großraumwagen.

Montag, 4. Mai 2009

94: Die Bahn und die Krise

Um uns herum bröckelt die Weltwirtschaft, und es ist nicht Sache dieses Blogs, das über Gebühr zu thematisieren. Was ihm aber gebührt, ist, zu besprechen, welche Auswirkungen »die Krise« auf die Eisenbahn hat.

Einiges ist sofort ziemlich klar erkennbar: Das Scheitern des Deutsche-Bahn-Börsengangs (Prellblog 72) ist durch die Krise verursacht oder zumindest beflügelt worden. Das staatsfreundliche Klima, das sich angesichts der Rettungsaktionen, Schutzschirme, Konjunkturpakete und dräuenden Enteignungen eingestellt hat, trägt seinerseits zumindest dazu bei, dass das Thema Börse so schnell nicht mehr auf die Tagesordnung kommen wird. Der Abgang von Hartmut Mehdorn (Prellblog 90) passt ins Bild, wenn er auch nicht unmittelbar durch den einstweiligen Aufschub der Börsenambitionen bedingt ist. (Mit den verschiedenen »Skandalen«, die durch den Blätterwald gerauscht sind, wird sich das Prellblog erst befassen, wenn einigermaßen abschließend geklärt ist, was da gelaufen ist.)
Ebenfalls klar ist, dass ein Einbruch der Realwirtschaft auch einen Einbruch der Güterverkehrsmengen bedeutet. Das heißt Kurzarbeit bei Eisenbahnunternehmen (von den nichtbundeseigenen Bahnen hat man diesbezüglich allerdings wenig gehört), aber auch, wie heute vernommen, dass Ausschreibungen für tausende von Güterwagen wieder zurückgenommen werden.
Andererseits scheint es der Bahntechnik und dem Fahrzeugbau bei aller Krise gar nicht so schlecht zu gehen. In den Golfstaaten wird massiv investiert, Hitachi hat sich aus einer Ausschreibung in Großbritannien zurückgezogen, weil die Produktionskapazitäten dafür nicht ausreichen würden, DB International plant eine Kohlebahn in der Mongolei, die Schweiz beschafft die größte Fahrzeugserie aller Zeiten, die Internationale Ausstellung Fahrwegtechnik hat mal wieder einen Besucherrekord eingefahren, Paris baut Straßenbahnstrecke, Toronto kauf Straßenbahnfahrzeuge, und so weiter und so fort.
Im Personenverkehr scheint die Krise denn auch eher beflügelnd zu wirken - optimistisch gesagt hilft ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr auch Personen mit wegbrechendem Einkommen, mobil zu bleiben; zynisch gesagt treibt Armut die Leute in den Nahverkehr. Wohl dem, der wie die meisten europäischen Länder eine funktionierende Finanzierung, ordentliche Kostendeckung und auch in »Friedenszeiten« attraktive Verkehrsmittel hat! In den USA hat der Ansturm auf den sonst eher kümmerlich blühenden öffentlichen Verkehr die Defizite der Träger in teilweise existenzbedrohende Höhen gejagt, so dass diese jetzt nach Bundesbeihilfen betteln müssen, um nicht an ihrem Erfolg zu Grunde zu gehen. So etwas hört man hierzulande dann doch eher nicht.

Nicht zuletzt wittern Lobbys, von denen man schon länger nichts mehr gehört hat, neukeynesianische Morgenluft. Die »Initiative Deutschland-Takt«, die im Wesentlichen von Nahverkehrs-Aufgabenträgern, Fahrgastverbänden und DB-Konkurrenz getragen wird, wendet sich wieder einmal mit der Forderung nach einem vollintegrierten Taktfahrplan für ganz Deutschland, also dem Stundentakt von überall nach überall nach Schweizer Vorbild, an die Öffentlichkeit. Nach wie vor scheint sich mir hinter diesem eigentlich noblen Anliegen die Forderung nach einer staatlichen Übernahme des unternehmerischen Risikos auch im Fernverkehr zu verstecken. Ich finde jedoch, dass auch in Krisenzeiten die Wettbewerber der DB nicht versuchen sollten, Hand in Hand mit dem Staat jeglichen eigenfinanzierten Fernverkehr abzuschaffen, sondern sie sich eher verbünden, um eine solide Konkurrenz auf die Beine zu stellen, wovon auch fünfzehn Jahre nach der Bahnreform immer noch nichts zu sehen ist.

Bild: Laura »That Canadian Grrl« bei Flickr (Details und Lizenz)